Mein glaeserner Bauch
Kindern.
»Da ziehe ich so manches Mal innerlich den Hut«, sagte sie zu mir, »denn ich kenne auch die Sorgen der Eltern sehr gut. Man glaubt gar nicht, wie viele verschiedene Behinderungen es gibt.«
Als sie selbst schwanger war, sei auch ihr nicht klar gewesen, dass sie möglicherweise mit dem Ergebnis einer Ultraschalluntersuchung vor eine folgenschwere Entscheidung gestellt würde. Ihr Sohn Jakob ist heute so alt, wie mein Kind es auch wäre.
Von vielen Frauen wird Pränataldiagnostik mit der allgemeinen Schwangerenvorsorge in der gynäkologischen Praxis verwechselt. Die Tragweite der pränataldiagnostischen Untersuchungsergebnisse erfassen sie erst dann, wenn es zu spät ist. Dann, wenn sie bei einem problematischen Befund dem daraus folgenden Konflikt bereits ausgeliefert sind. Ihre Handlungsoptionen beschränken sich in der Regel dann nur noch darauf, die Schwangerschaft fortzusetzen oder sie abzubrechen. Sie müssen eine Entscheidung treffen über Leben oder Tod ihres Kindes.
Nahezu allen Schwangeren wird heute das sogenannte Ersttrimester-Screening empfohlen. Und viele Schwangere, gerade auch die jüngeren, fühlen sich inzwischen geradezu zum Ersttrimester-Screening gedrängt. Untersucht werden dabei bestimmte Schwangerschaftshormone und Eiweißwerte im mütterlichen Blut sowie die fetale Nackentransparenz innerhalb der ersten elf bis vierzehn Schwangerschaftswochen.
Verknüpft mit dem Alter der Mutter soll mit diesem Verfahren im Rahmen der Pränataldiagnostik ein individuelles Risiko ermittelt werden. Denn rein rechnerisch kann die Kombination der Werte noch gezielter als der Ultraschall allein Hinweise auf eine Chromosomenstörung oder Fehlbildung des Kindes geben. Die so getroffenen Aussagen gehen damit auch weit über die Wahrscheinlichkeitsberechnungen des früher geltenden sogenannten Altersrisikos hinaus.
Befürworter dieses Verfahrens betonen, dass mit dem Ersttrimester-Screening qualifizierte, nicht-invasive Maßnahmen zur Verfügung stehen, um das individuelle Risiko für eine Chromosomenabweichung auszuloten. Es sind vorgeschaltete Untersuchungsmethoden, bei denen nicht gleich mit Nadeln durch die Bauchdecke der Frau gestochen wird, um Zellen oder Blut zu entnehmen, wie dies bei Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie nötig ist. Das Ersttrimester-Screening sei daher ungefährlich, und bei unauffälligem Ergebnis könne mancher Schwangeren mit erhöhtem Altersrisiko eine Fruchtwasserpunktion erspart bleiben.
Die Unterscheidung der Schwangeren in die Altersgruppen bis oder ab fünfunddreißig gilt jedoch inzwischen sowieso als überholt, denn die Hälfte aller Trisomie-21-Fälle tritt bei unter Fünfunddreißigjährigen auf. Das liegt daran, dass die weit überwiegende Anzahl der Schwangeren unter fünfunddreißig ist. Und trotz geringerer statistischer Wahrscheinlichkeit kommen auch bei ihnen Chromosomenabweichungen vor.
Mit dem Ersttrimester-Screening, so heißt es, könne man nun sowohl jüngeren als auch älteren Schwangeren Anhaltspunkte dafür geben, ob eine invasive Diagnostik überhaupt notwendig sei oder ob darauf verzichtet werden kann. Das Down-Syndrom bei Kindern schon in der Schwangerschaft zu entdecken werde so auch bei jüngeren Frauen möglich, während früher Chromosomenabweichungen bei Kindern jüngerer Frauen oft erst nach der Geburt festgestellt wurden.
Außerdem sei zu bedenken, dass angesichts der Zunahme von Spätgebärenden auch die Fehlgeburtenrate deutlich steigen könne, wenn man weiterhin konsequent die reine Altersindikation anwende. Die Amniozentese für alle Schwangeren ab fünfunddreißig zu empfehlen würde bei mehr Spätgebärenden rein zahlenmäßig zu mehr Punktionen und damit zu mehr Fehlgeburten führen. 26
Eins stimmt: Noch bis vor wenigen Jahren war allen schwangeren Frauen mit sogenanntem Altersrisiko die Durchführung einer Fruchtwasseruntersuchung empfohlen und im Rahmen der Mutterschaftsrichtlinien auch von den Krankenkassen bezahlt worden. Mit einer daraus resultierenden erheblichen Anzahl von Fehlgeburten gesunder Kinder. Hat beispielsweise eine Fünfunddreißigjährige ein statistisches Risiko von 0,3 Prozent, ein Kind mit Down-Syndrom zur Welt zu bringen, dann ist ihr Fehlgeburtsrisiko durch invasive Methoden der Pränataldiagnostik bis zu zehn Mal so groß. Bis heute werden in den Mutterschaftsrichtlinien für die Altersgruppe ab fünfunddreißig die invasiven Verfahren zur Chromosomenbestimmung kostenlos angeboten.
Ich hatte bewusst
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