Mein glaeserner Bauch
medizinisch dann nur noch als Abortmaterial, wie man dem Deutschen Ärzteblatt entnehmen kann:
Die genaue Ermittlung eines Kausalzusammenhangs zwischen Eingriff und Abort ist im Einzelfall – auch durch morphologische Untersuchung des Abortmaterials – nur selten möglich, jedoch unabhängig von der Entnahmetechnik (transzervikal und transabdominal)≤ 3%. 41
Von den ärztlichen Erläuterungen des Befundes hatte Klaus vor allem eins verstanden: dass auch meine Gesundheit gefährdet sei. Eventuell sogar mit lebensbedrohlichen Folgen, die ein Austragen eines kranken Kindes für mich haben könnte.
Heute weiß ich, lebensbedrohliche Folgen für die Mutter sind ein entscheidender Teil der rechtlichen Voraussetzung dafür, dass eine Abtreibung auch nach der zwölften Woche noch erlaubt ist. Denn Strafverbot besteht nur dann, wenn eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen und seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren vorliegt, und wenn wiederum diese Gefahr nicht anders abgewendet werden kann.
Eindringlich begründete der Arzt Klaus und mir gegenüber seine Empfehlung auf genetische Abklärung des Ultraschallbefunds. Ich fühlte mich bedrängt. Und vollkommen ratlos.
Im Brief des Arztes, den er an meine Gynäkologin schickte, ist unter anderem Folgendes dokumentiert:
Geburtstermin rechnerisch: 24.12.98
Gestationsalter: 13 Wochen + 0 Tage
Diagnose: Generalisiertes Ödem, Nackenödem.
Weiteres Vorgehen: Ausschluss Parvovirusinfektion, danach genetische Abklärung.
Patientin wünscht heute noch keine Genetik, möchte erst nächste Woche darüber entscheiden. Sie wurde darüber aufgeklärt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine genetische Erkrankung vorliegt.
Ich klammerte mich an einen Strohhalm. Setzte in meiner Verzweiflung auf den kleinsten Hoffnungsschimmer. Vielleicht könnte die Ursache für die Ödeme ja etwas ganz anderes sein. Hatte er das nicht selbst eingeräumt? Eine Parvovirusinfektion, mit Bluttransfusionen behandelbare Ringelröteln. Das war doch noch nicht ausgeschlossen.
Ich war entsetzlich durcheinander und wusste nur, ich brauche Zeit.
Ringelröteln sind nicht zu verwechseln mit Röteln. Sie sind eine bekannte Kinderkrankheit und werden in der Regel genau wie Windpocken durch Tröpfcheninfektion verbreitet. Infizierte Erwachsene bleiben oft ohne Krankheitsanzeichen. Doch gerade von Schwangeren muss die Infektion sehr ernst genommen werden.
Da das Virus vor allem Kinder im Vorschulalter befällt, sind hauptsächlich Schwangere gefährdet, die viel Kontakt mit Kindern in diesem Alter haben. Kindergärtnerinnen zum Beispiel. Oder auch Frauen mit mehreren Kindern in ihrem häuslichen Umfeld. Zu den besonderen Risikogruppen zählen Frauen, die während der ersten Hälfte der Schwangerschaft dem Virus ausgesetzt sind, denn beim ungeborenen Kind kann dies lebensbedrohliche Erkrankungen auslösen.
Bei jeder zehnten Schwangeren, die sich mit Ringelröteln angesteckt hat, kommt es auch zu einer Infektion des Ungeborenen. Schwangere, die Kontakt zu Kindern mit Ringelröteln haben, sollten deshalb unabhängig von Krankheitsanzeichen auf Antikörper untersucht werden. Bei einer Infektion der Mutter wird dann mit Hilfe von Ultraschalluntersuchungen die Entwicklung des Kindes genau kontrolliert, um rechtzeitig krankhafte Einlagerungen von Flüssigkeit, genannt Hydrops fetalis , im Gewebe des ungeborenen Kindes zu erkennen.
Unbehandelt führen diese häufig zur Fehlgeburt. Nur bei etwa einem Drittel der Fälle gehen die Symptome von selbst zurück. Treten Schwellungen am Körper des Kindes auf, kann eventuell beim Kind in der Gebärmutter durch Nabelschnurpunktion eine Bluttransfusion durchgeführt werden. Eine solche Bluttransfusion ist jedoch risikoreich, denn Eingriffe dieser Art beinhalten immer die Gefahr einer Fehlgeburt. Andererseits gibt es keine wirksamen Medikamente gegen das Parvovirus. 42
Eine invasive Therapie im Mutterleib ist sehr selten. Und sie wird nur angeboten, wenn Überlebens- und Entwicklungschancen des ungeborenen Kindes verbessert werden können – nicht allerdings bei genetischen Schäden.
D er erschütternde Verdacht durch den Ultraschall hatte mich völlig unvorbereitet getroffen. Ich fühlte mich elend und hatte mich in unsere Wohnung verkrochen, lag meistens im Bett, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
Am Freitagabend rief ich verzweifelt im Labor an. Ein extrem unangenehmes, zähes Telefonat, bei
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