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Mein glaeserner Bauch

Mein glaeserner Bauch

Titel: Mein glaeserner Bauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Hey
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bösen Traum. Ich wagte nicht, meine Gefühle zuzulassen, spürte meistens nur die Anspannung in meinem Inneren. An Klaus lernte ich einen neuen Gesichtsausdruck kennen, wenn mir die Tränen kamen. Das Ist-es-wieder-so-weit-Gesicht, das er, so gut es ging, hinter einer liebevollen Deckung versteckte.
    Seitdem mein Kind tot zur Welt gekommen war, fehlten mir oft die Worte. Und es fehlten mir die Bilder, um mir Zukunft auszumalen. Um morgens aufzustehen und mit Energie den Tag zu gestalten. Ich erledigte Aufgaben, die sich mir stellten, aber ich hatte keine Freude mehr daran, dass etwas gelang.
    Es gab Menschen, die mich wissen ließen, dass sie mit mir fühlen. Frauen, die wie ich einen Verlust erlitten hatten. Ich konnte über meinen nicht sprechen, darum weiß ich fast nichts über ihren. Sie waren diskret, und ich wich ihnen aus. Immer in der Angst, die Fassung zu verlieren.
    Es gab auch andere. Eine redete scheinbar ungerührt drauflos. Dass sie gleich nach dem ersten Sex schwanger war und dann nie mehr. Abtreibung mit siebzehn. Und löffelte weiter ihr Eis.
    Einen sehr wichtigen Brief schrieb mir eine Frau in meinem Alter, die auch, wie ich erst jetzt erfuhr, ein Kind verloren hatte. Sie habe sich in diesem Sommer auf innige Weise mit mir verbunden gefühlt.
    Doch ich mochte dies nicht aussprechen, weil ich Angst hatte, Dir zu nahezutreten, und weil man bekanntlich weder Glück noch Schmerz wirklich teilen kann … und so weiß ich auch, dass die Erfahrung anderer Frauen, zunächst einmal, wenn es geschehen ist, nicht helfen kann. Eines nur hätte ich Dir gern gesagt: Die Liebe eines kinderlosen Paares, so hat es sich zwischen W. und mir herausgestellt, kann etwas Wunderbares sein. Ich wünsche Dir und Euch, dass die Trauer Euch nicht allzu sehr niederdrückt und Eure Verbindung stärkt.
    Ihre Anteilnahme berührte mich sehr. Mehr, als ich ihr zeigen konnte. Ich fürchtete tatsächlich, Klaus zu verlieren, denn der Tod eines Kindes führt oft zur Trennung. Abtreibung erst recht. Das hatte ich bei anderen Paaren gesehen. Ihr Brief tröstete mich.
    Es kostete mich viel Kraft, mit meinen Gefühlen zurechtzukommen. Und ich hoffte auf die sprichwörtlich heilsame Wirkung der Zeit. Arbeitete hart, während meine seelische Verletzung unversorgt blieb. Aber je weiter ich meinen Kummer wegschob, desto größer wurde er manchmal.
    Weihnachten rückte näher und damit der zu Anfang der Schwangerschaft errechnete Geburtstermin unseres Kindes. Beim Einkaufen in der vorweihnachtlichen Stadt wurde mir der Trubel plötzlich zu viel, und ich rettete mich in eine Kirche. In warmes Licht getaucht, sah ich schon vom Eingang aus die Weihnachtskrippe, und ich ging näher, um sie mir anzusehen. Die Figuren von Maria und Josef waren lebensgroß. Etwas unförmig und staksig standen um sie herum die Tiere im Stall. Als ich in die Krippe schaute, schossen mir Tränen in die Augen. Die Krippe war leer.
    Ich spürte immer wieder, ich war nicht sehr belastbar, war noch viel zu durcheinander. Es fühlte sich an wie eine Wunde, aus der ich leise blutete. Und ich konnte nichts tun, nur warten darauf, dass ich wieder gesund werde.
    Als ich auch beim dritten Versuch nur einen Termin bei der Vertretung meiner Gynäkologin bekam, begann ich mich zu fragen, ob die Ärztin befürchtete, ich könne zu viel von ihrer Zeit beanspruchen, wenn ich in ihre Sprechstunde käme. Zeit, die sich nicht kostendeckend abrechnen ließ. In einem Schreiben hatte sie schon lange vor meiner Schwangerschaft die »Sehr geehrte liebe Patientin« auf die nachteiligen neuen Gebührenordnungen hingewiesen. Ein Schreiben für »alle Patientinnen, die bei einer gesetzlichen Krankenkasse – also nicht privat – versichert sind«, wie es überdeutlich im Briefkopf hieß.
    Danach werden von den gesetzlichen Krankenkassen für die frauenärztliche Betreuung innerhalb von drei Monaten für Beratung, Behandlungen und Verordnungen pauschal bis zu DM 19.-- vergütet – sozusagen als Grundversorgung.
    Deshalb bieten wir Ihnen die über die Grundversorgung hinausgehenden – jedoch nach dem heutigen Wissensstand sehr sinnvollen – ärztlichen Leistungen gegen ein von Ihnen zu entrichtendes Privathonorar an. Hierzu gehören insbesondere die Ultraschalluntersuchung der Gebärmutterschleimhaut bei Patientinnen, die Hormone einnehmen, sowie die Ultraschalluntersuchungen der Brust, die zwar die Mammographie bis heute nicht ersetzt, aber wesentliche Aussagen über den Zustand des

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