Mein glaeserner Bauch
Schwangeren, aber auch wie die Fachleute aus Medizin und Beratung sich verhalten. Darüber hinaus spielt es ebenfalls eine Rolle, ob in der Gesellschaft offen über ethische Dilemmata gesprochen wird. Auch deshalb, weil der Verlust des Kindes dann anders betrauert werden kann. 86
Pränataldiagnostik mit ihren möglichen Folgen ist nicht nur ein sehr persönliches Thema für Schwangere, sondern auch ein aktuelles gesellschaftliches Thema innerhalb der heutigen Bioethikdebatte. Die zukünftige Entwicklung lässt erwarten, so die Studie, dass die Entscheidung über Leben und Tod eines Fötus eines der großen ethischen Dilemmata in modernen Gesellschaften sein wird, nicht nur in der Europäischen Union, sondern weltweit. Dort, wo die Technologie zur Verfügung steht, wird Pränataldiagnostik auch angewandt. Massenhaft.
Das Entscheidungsdilemma, das durch die Pränataldiagnostik entsteht, verursacht persönliches Leid, belastet Familien und kann zu langfristigen Reaktionen wie Depressionen oder anderen psychischen Störungen führen, wie die Studie zeigt. Dies kann hohe ökonomische und soziale Kosten verursachen. Betroffen davon sind alle sozialen Schichten, beide Geschlechter und alle Altersgruppen. Daher ist es wichtig, dass diesen Dilemmata zunehmende Aufmerksamkeit und Sensibilität entgegengebracht wird und dass Strategien im Umgang mit hieraus erwachsenen Problemen entwickelt werden, so die Studie. Nicht nur für Einzelne und ihre Familien, sondern für die Gesellschaft als Ganzes. 87
I ch hatte einen neuen Termin mit der gynäkologischen Praxis gemacht. Inzwischen wusste ich schon, dass nur noch die Vertretung meiner ehemaligen Frauenärztin Zeit für mich haben würde. Schon monatelang hatte ich keine Blutungen mehr gehabt, und dann setzten sie, im Widerspruch zum Waschzettel der Pillenpackung, plötzlich während der Hormontherapie ein. Weder körperlich noch seelisch schienen die Medikamente mir gutzutun. Ich hatte Unterleibsschmerzen und war in keiner guten Verfassung.
Zufällig begegnete ich meiner ehemaligen Gynäkologin an der Rezeption. »Wie geht es Ihnen?«, fragte sie strahlend. Ich antwortete leise und merkte, wie mir Tränen in die Augen schossen. Spontan bot sie mir einen Termin für den nächsten Tag an. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Ich war überpünktlich und setzte mich nach der Anmeldung ins Wartezimmer. Es war später Nachmittag und, wie es schien, nicht viel los. Nur wenige Minuten nach meiner Ankunft wurde ich gerufen und aufgefordert, vor der Tür von Frau Doktor Platz zu nehmen. In einer kleinen Nische, groß genug für zwei.
Ich saß dort nicht allein. Neben mir bemühte sich eine Mutter, ihren neugeborenen Säugling zu beruhigen. Ein völlig normaler Vorgang. Nur für mich nicht. Hier neben einer Frau zu sitzen, die vor Kurzem ein gesundes Kind zur Welt gebracht hatte, war extrem bedrückend. Ich versuchte, mich abzulenken, aber es gelang mir nicht. Es war kaum auszuhalten. Immer häufiger schaute ich auf die Uhr, hoffte mit zunehmender Unruhe darauf, dass die Tür aufginge und ich dieser Situation entkommen könnte.
Doch die Tür ging nicht auf. Nach zwanzig Minuten wurde es unerträglich für mich. Ich gab mir größte Mühe, irgendetwas zu lesen. Unmöglich. Ich versuchte, mich auf das bevorstehende Gespräch mit der Ärztin zu konzentrieren. Und ich sagte mir, bleib sitzen, bleib wenigsten noch zehn Minuten hier sitzen.
Zehn Minuten später saß ich immer noch da, und ich wusste, ich muss weg. An der Rezeption standen Patientinnen, die gerade in die Praxis gekommen waren, es wurde beratschlagt und gescherzt. Mir war zum Heulen zumute. Den Sprechstundenhelferinnen meine Gefühle zu erklären, war mir zu peinlich. Sonst hätte ich es getan. Ich konnte nur noch daran denken, die Praxis möglichst schnell zu verlassen.
Die Ärztin nahm sich Zeit für einen Brief an mich. Was mir einfiele? Überall in der Praxis habe man nach mir gesucht! Ich könne doch nicht erwarten, dass alle Räder für mich stillstehen!
»Ich habe nie erwartet, dass alle Räder für mich stillstehen«, schrieb ich einige Tage später zurück. »Oder auch nur ein Teil der Maschine. Aber können Sie sich vorstellen, wie es mir geht? Erst vor Kurzem habe ich etwas gefunden, das mir hilft, meine Erfahrungen nach dem Abbruch etwas besser einzuordnen und meine mir selbst manchmal nicht nachvollziehbaren Reaktionen zu erklären. Ein Buch. Gute Hoffnung – Jähes Ende. Geschrieben von Hannah Lothrop. 88 Dort
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