Mein glaeserner Bauch
Untersuchungen. Und nur eine kleine Minderheit der Schwangeren beklagt dann noch den Stress und die Verunsicherung.
Die Selbstverständlichkeit, mit der Pränataldiagnostik heute angewandt wird, nimmt keiner Frau die in der Konsequenz unmenschliche Entscheidung ab. Sie zeichnet sie allerdings vor. Und zwar so, als sei alles nur zu ihrem Besten. Und das Richtige für ihr Kind. Vorübergehend blind genau das zu glauben, ist sehr verständlich. Und trügerisch.
Für die Unsicherheiten, Ängste und Befürchtungen Schwangerer hält die Medizin technologische Lösungen bereit. Für ausführliche Gespräche, welche die Gefühle und die individuelle Lebenssituation der Frau oder des Paares berücksichtigen, bleibt in der gynäkologischen Praxis schon aufgrund der gering honorierten Beratungszeit kein Raum.
Umso wichtiger sind die Angebote, die öffentlich finanzierte Beratungsstellen machen. Im besten Fall ergänzen sie die Arbeit der Mediziner, die in der Regel nicht über eine qualifizierte Ausbildung in Gesprächsführung verfügen.
Die meisten Frauen wissen jedoch nur sehr begrenzt über solche Beratungsmöglichkeiten jenseits der ärztlichen Praxis Bescheid. Beratungsangebote, die über medizinische Informationen hinausgehen. Die gerade die emotionalen und sozialen Faktoren, mit denen werdende Eltern zu kämpfen haben, in den Mittelpunkt stellen. Wo widersprüchliche Gefühle, Ängste und Zweifel ernst genommen werden und geschulte Beraterinnen helfen, individuelle Lösungsansätze zu entwickeln.
Die rechtliche Verpflichtung für Ärzte, Schwangere auf dieses kostenfreie Angebot für werdende Eltern hinzuweisen, ist das Herzstück der Reform des 2010 geänderten Schwangerschaftskonfliktgesetzes. Obwohl es diese Beratungsmöglichkeit auch schon vor 2010 gab, zielt das Gesetz besonders darauf ab, das psychosoziale Beratungsangebot noch besser bekannt zu machen. Von Ärzten kam bis zur ausdrücklichen gesetzlichen Verpflichtung nur allzu selten die Information über das Recht auf zusätzliche Beratung. Und wurde deshalb auch von Schwangeren kaum wahrgenommen.
Es kostete mich viel Kraft, arbeitsfähig zu bleiben, aber ich hatte nicht den Mut, mich schwach zu zeigen. So wie es inzwischen wohl oft im Berufsleben vorkommt in einer Arbeitswelt, die Menschen ständig dazu antreibt, ihre Nützlichkeit für den Job zu steigern und ihre Kräfte als Ressource für den Markt kontinuierlich weiterzuentwickeln. Schwäche ist da völlig fehl am Platz. Muss versteckt werden. Eine komplizierte Maskerade. Und sehr mühsam.
Ich orientierte mich an meinen Aufgaben und hatte sogar das Gefühl, dass die Arbeit mir half, den Tag zu überstehen. Mit Disziplin versuchte ich, so gut es ging, meinen Platz im normalen Leben wieder einzunehmen. Die Fassade aufrechtzuerhalten. Mit größter Anstrengung.
Mehr und mehr verlor ich allerdings das Interesse an dem, was um mich herum vor sich ging. Meine Arbeit tat ich weiterhin konzentriert, und die Ergebnisse konnten sich auch ohne meine innere Beteiligung sehen lassen, vor allem aufgrund meiner langjährigen Berufserfahrung. Doch alles war fast nur noch die Konsequenz von Disziplin, nicht von überzeugtem Engagement und Freude an dem, was ich tat.
Ich war nach dem Schwangerschaftsabbruch extrem feinfühlig geworden. Misstrauisch. Legte Worte oft auf meine geheime Goldwaage. War empfindlich und leicht verletzbar.
Dann versagte mir zum ersten Mal die Stimme. Die Verdrängung meines Schmerzes begann, sich bemerkbar zu machen. Was durfte ich fühlen, was durfte ich zeigen und was nicht?
Aktiv bleiben, weitermachen, nach außen hin fast so, als sei nichts passiert. Mein Gefühl war, so wurde auch mit mir umgegangen. Bloß nicht dran rühren. Vorbei ist vorbei.
Immer wieder spürte ich die Wunde, die nicht heilte. Je mehr ich zu tun hatte, umso weniger Zeit blieb allerdings für den Schmerz. Eine Möglichkeit, mich zu stabilisieren, so hoffte ich. Auch Klaus schien vergessen zu wollen.
Bevor ich lernte, besser für mich zu sorgen, nicht mehr einfach über die Signale hinwegzugehen, die mein Körper mir gab, spürte ich bei Stress manchmal, wie sich meine Kehle verengte, fast unauffällig. Sprechen wurde dann zu einem Raunen, als habe sich ein Pelzmäntelchen über meine Stimme gelegt. Bis es mir wieder die Sprache verschlug. Und oft kämpfte ich an gegen eine lähmende Müdigkeit, gegen das Bedürfnis, auszusteigen aus der Gegenwart und in eine andere Realität einzutauchen.
Viele Jahre lang
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