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Mein glaeserner Bauch

Mein glaeserner Bauch

Titel: Mein glaeserner Bauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Hey
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das Programm einer Tagung der Pränatal-Medizin München im Februar 2010. Im Mittelpunkt des Symposions stand das Down-Syndrom. »Am Beispiel Down-Syndrom wollen wir das Erreichte bewerten und Defizite benennen, vor allem aber auch über die schwierige Balance zwischen Individuum und Gesellschaft nachdenken«, heißt es in der Einladung. 105 Was ist gemeint mit der schwierigen Balance zwischen Individuum und Gesellschaft? Das Lebensrecht des Kindes, das Selbstbestimmungsrecht der Frau auf der einen Seite, und andererseits die gesellschaftlichen Kosten, inklusive Produktionsausfall? Ist die schwierige Balance zwischen Individuum und Gesellschaft wirklich ein Thema, für das Mediziner und Genetiker die geeigneten Fachleute sind?
    Die Tagung fand übrigens statt zur Zeit der Einführung des neuen Gendiagnostikgesetzes und direkt nach Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, die beide das Recht auf – ergebnisoffene – Beratung der Schwangeren stützen. Dazu heißt es bereits unmissverständlich in der Einladung der Pränatal-Medizin München: »Der Gesetzgeber drängt auf Beratung mit den Inhalten ›Leben mit einem behinderten Kind‹ und zwingt zur Information über die angebotenen Hilfen.« 106 Drängen und Zwingen deutet hin auf großen Unwillen bei denjenigen, deren Aufgaben von der neuen Gesetzeslage definiert werden, machtvollen Medizinern, die sich als alleinige Fachleute verstehen. Zum Thema Schwangerschaftsabbruch sieht das Tagungsprogramm ganze fünfzehn Minuten vor. Da wird nicht viel Zeit geblieben sein, um über die Folgen eines Abbruchs nach Pränataldiagnostik nachzudenken.
    Es ist anzunehmen, dass in Zukunft der Druck auf Frauen sogar noch steigen wird, im Falle einer Schwangerschaft grundsätzlich Pränataldiagnostik in Anspruch zu nehmen. Und damit der Entscheidungsdruck, das Kind abzutreiben, wenn die Fahndung einen Verdacht auf Down-Syndrom nahelegt. Im Frühjahr 2011 häuften sich die Nachrichten über einen Bluttest, der mit hundertprozentiger Gewissheit Down-Syndrom schon im Blut der Schwangeren ermitteln soll – mit großem kommerziellen und medizinischen Potenzial, wie beteiligte Wissenschaftler betonten.
    Seit Ende der neunziger Jahre wird an der Entwicklung des Verfahrens gearbeitet, das schon aus einer Blutprobe der Mutter eine Trisomie 21 bei ihrem Kind nachweisen kann. Unzählige winzige Bruchstücke der Erbanlagen des Ungeborenen gelangen – wie man inzwischen weiß – über die Plazenta in den Blutkreislauf der Mutter. Kann man diese Bruchstücke wieder zusammensetzen, braucht man keine Chorionzotten oder Zellen aus dem Fruchtwasser mehr, um genetische Aussagen über das Kind zu machen. Nicht-invasiv und gefahrlos für das Kind soll der Test sein – das ist das erklärte Ziel. Das stimmt natürlich nur so lange, bis tatsächlich eine Trisomie 21 entdeckt wird.
    Inzwischen ist der Test marktreif. MaterniT21 heißt er in den USA . Seit Herbst 2011 steht er Schwangeren dort ab der zehnten Schwangerschaftswoche zur Verfügung. Die Bearbeitung dauert acht bis zehn Arbeitstage und die Sicherheit der Ergebnisse soll bei mehr als neunundneunzig Prozent liegen. Für die definitive Diagnose ist allerdings zunächst weiterhin eine Chorionzottenbiopsie oder Amniozentese nötig.
    Mütter aller Altersgruppen können ein Kind mit Down-Syndrom bekommen, informiert das börsennotierte US -Unternehmen für Biotechnologie Sequenom seine Kundinnen auf einer Internetseite zum neuen Bluttest. 107 Seit Februar 2012 ist der Test auch für den Nachweis von Trisomie 13 und Trisomie 18 zugelassen und heißt seitdem MaterniT 21 Plus . 108
    Schon einmal hatte Sequenom sich im Kampf um Wettbewerbsvorteile auf dem Markt ganz vorn gewähnt. Denn weltweit sind auch andere Biotechunternehmen an dem Wettlauf beteiligt. Zwischen Juni 2008 und Januar 2009 hatte Sequenom die Öffentlichkeit und vor allem Analysten und Investoren mehrfach über die Entwicklungserfolge informiert. Auf mehreren Konferenzen präsentierte die Biotechfirma überzeugende Daten für einen nahezu hundertprozentigen Bluttest zur Erkennung des Down-Syndroms bei Ungeborenen. Ab Juni 2009 sollte der Test auf dem Markt sein. Das Marktpotenzial des Verfahrens wurde von Experten auf rund zwei Milliarden Dollar beziffert. Die Wirkung blieb nicht aus: Innerhalb von fünf Monaten stieg der Wert der Aktie um das Fünffache.
    Doch am 29. April 2009 musste Sequenom öffentlich zugeben, dass Testergebnisse gefälscht worden waren. Der Aktienkurs

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