Mein glaeserner Bauch
stürzte ins Bodenlose, verlor allein sechsundsiebzig Prozent direkt nach der Skandalmeldung. Staatsanwaltschaft und FBI wurden aktiv. Insidergeschäfte wurden aufgedeckt. Hochrangige Sequenom -Mitarbeiter wurden entlassen oder gingen freiwillig. Investoren strengten eine Sammelklage an – allen voran ein Pensionsfond für die Angestellten der Stadt Los Angeles. Um den Rechtsstreit außergerichtlich beizulegen, erklärte sich Sequenom im Januar 2010 bereit, vierzehn Millionen Dollar an Schadensersatz zu zahlen. Auch die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde wurde wegen falscher Unternehmensangaben aktiv und drohte in einem Unterlassungsverfahren Sanktionen gegen Sequenom an. Die angeblich Hauptverantwortliche für den Betrug starb im Februar 2011 im Alter von zweiundsechzig Jahren. Ein Wirtschaftskrimi.
Doch das Unternehmen schaffte schon bald ein Comeback. In der deutschen Öffentlichkeit hört man von der kalifornischen Biotechfirma Sequenom im August 2011. In einer Presseerklärung der Konstanzer GATC Biotech AG gibt Sequenom, Inc. seine Zusammenarbeit mit der GATC -Tochter LifeCodexx AG bekannt. Als Verlobte lassen grüßen. Die erste kommerzielle Partnerschaft von Sequenom auf dem Gebiet der nicht-invasiven Pränataldiagnostik in Europa.
»Das ist der erste unserer von den USA aus geschlossenen Lizenzverträge, der einem Partner die Möglichkeit bietet, einen im Labor entwickelten Test auf Trisomie 21 kommerziell einzusetzen, was einen weiteren Schritt in die Richtung der Markteinführung des Tests und der Erreichung unserer für 2011 gesetzten Unternehmensziele darstellt«, erklärte Harry F. Hixson, Aufsichtsratsvorsitzender und Geschäftsführer der Sequenom, Inc . 109
Es wurde ein Fünf-Jahres-Lizenzvertrag geschlossen, bei dem LifeCodexx bestimmte Zahlungen im Vorfeld sowie jährliche Lizenzgebühren für den Absatz der Tests bezahlt. Verständigt haben sich die Partner darüber hinaus auf eine Kooperation für die Entwicklung und Einführung weiterer Bluttests auf Chromosomenabweichungen. Für Deutschland, Österreich, die Schweiz und Liechtenstein. Wobei auch die Einführung in weiteren Ländern angedacht ist.
Im Kleingedruckten, genauer: im amerikanischen Anhang zu dieser Presseerklärung, stehen die Hinweise auf Risiken und Unsicherheiten dieses Zusammenschlusses. Börsennotierte Unternehmen sind in den USA zu solchen Hinweisen verpflichtet, wenn sie in der Öffentlichkeit über die von ihnen erwartete Geschäftsentwicklung berichten. Hier finden sich unter ferner liefen nicht nur eine Bemerkung bezüglich des Verfahrens, das vor der US-Börsenaufsichtsbehörde anhängig ist, sondern auch ein Verweis auf gesetzliche Regelungen, die bei der Zulassung von diagnostischen Produkten und Testverfahren von Bedeutung sein können. Ich frage mich, ob es eine öffentliche Diskussion zu diesen Tests in Deutschland geben wird. Und ob die Risiken durch das Gendiagnostikgesetz angemessen abgedeckt sind.
Auch das Deutsche Ärzteblatt hat die Pressemeldung über den Zusammenschluss von Sequenom und LifeCodexx im Herbst 2011 aufgegriffen. 110 Pikant an der Nachricht sei, so heißt es dort, dass das von Annette Schavan ( CDU ) geführte Bundesforschungsministerium die Firma LifeCodexx und ihr Projekt unter dem Dach der Initiative Kleine und mittlere Unternehmen – Innovativ fördert. Schavan habe sich kurz zuvor noch gegen die Präimplantationsdiagnostik ausgesprochen, bei der es nur um ein paar Hundert Fälle im Jahr geht. Der Bluttest für Down-Syndrom andererseits würde vielleicht schon bald allen Schwangeren angeboten. Innovativ und erfolgreich sei die Firma in der Tat, so das Deutsche Ärzteblatt. Der neue Test und seine möglichen Nachfolger besäßen das Potenzial, die Pränataldiagnostik nochmals zu revolutionieren.
Es gibt Stimmen, die den neuen Bluttest als Einstieg in eine umfangreiche genetische Analyse von Embryonen sehen. Heute wäre das vielleicht noch zu teuer, aber mit der technischen Entwicklung werden die Preise sinken. Ist in Zukunft eine vollständige Genomanalyse gewünscht – die totale Überprüfung der genetischen Ausstattung eines Ungeborenen –, um darüber zu entscheiden, ob das Kind gut genug ist, um auf die Welt zu kommen? Zwischen hundert und zweihundert Krankheiten werden schon innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre nachweisbar sein, schätzt Hank Greely, Juraprofessor an der Eliteuniversität Stanford in Kalifornien, der die Implikationen biomedizinischer Technologien
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