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Mein glaeserner Bauch

Mein glaeserner Bauch

Titel: Mein glaeserner Bauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Hey
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untersucht. Wie sollen Paare in Zukunft mit der Informationsflut über ihr ungeborenes Kind zurechtkommen? Wird man ihnen eine Krankheit ihres Kindes vorwerfen, weil sie jetzt mitverantwortlich sind, die Krankheit nicht verhindert zu haben, wenn sie sich für ihr Kind entscheiden? Wird Mukoviszidose dazu gehören, Kurzsichtigkeit, Dickleibigkeit, Diabetes? Depression?
    Aus einer Blutprobe der Schwangeren eine Trisomie 21 sicher auszuschließen oder zu bestätigen – das ist das Versprechen, das LifeCodexx für seinen PraenaTest gibt. Allerdings ist der Test zunächst nur dann vorgesehen, wenn das Ersttrimester-Screening in der zwölften bis vierzehnten Woche schon einen auffälligen Befund ergeben hat und eine Wahrscheinlichkeit für Trisomie 21 berechnet wurde. Das Ergebnis des Bluttests soll dann etwa eine Woche später vorliegen. 111 Genau genommen kann dies allerdings nur ein Zwischenschritt vor der invasiven Diagnostik sein, einer Chorionzottenbiopsie oder einer Fruchtwasseruntersuchung, die ja formal alleinige Grundlage für eine medizinische Indikation sind. Oder?
    Adressen von Hamburg bis Nürnberg, von Düsseldorf über Hannover bis Berlin finden sich in der Liste von Pränatalzentren und Arztpraxen, welche die Diagnostik von Trisomie 21 im mütterlichen Blut nach erfolgreicher wissenschaftlicher Auswertung anbieten. Auch die Pränatal-Medizin München ist darunter, wie LifeCodexx berichtet.
    Bevor der neue Bluttest auf Down-Syndrom allerdings zur Routine wird, kann sich die Schwangere in München schon nach dem OSCAR -Prinzip behandeln lassen: One Stop Clinical Assessment of Risk . 112 Was an Filmpreisverleihung oder Boxenstopp im Motorsport denken lässt, ist die Ersttrimester-Untersuchung nach den Mutterschaftsrichtlinien in Kombination mit einem herkömmlichen Down-Syndrom-Screening. Es muss nicht einmal extra angemeldet werden, sondern ist das Vorgehen für alle Patientinnen von Pränatal-Medizin München , die hierher zum Ultraschall am Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels kommen. Inklusive Nackenfaltenmessung. OSCAR – alles bei einem einzigen Termin. Und Frauen unter fünfundzwanzig müssen nur die Hälfte zahlen.
    Erstaunlich finde ich den zusätzlichen Hinweis, dass bei einer nachgewiesenen Entwicklungsstörung die Ärzte in der Praxis und der Klinik darauf spezialisiert seien, Behandlungsmöglichkeiten zu eröffnen. Das verwundert mich, denn es gibt bisher vorgeburtlich nicht viele Behandlungsmöglichkeiten für ein Kind. Gilt eine Abtreibung als Behandlungsmöglichkeit?
    »Bei Fehlgeburt, Schwangerschaftsabbruch und Behinderung können wir die Patientin beim Finden der jeweils richtigen Entscheidung unterstützen«, wird versprochen. Ein etwas verwirrender Satz. Ich frage mich, was gibt es bei einer Fehlgeburt zu entscheiden? Zu entscheiden gibt es etwas, wenn eine Behinderung festgestellt wird – gesucht wird ja hauptsächlich nach Down-Syndrom. Dann heißt die Entscheidung: Schwangerschaftsabbruch ja oder nein. Aber natürlich wird betont: »Alle in der Praxis wollen dazu beitragen, auch die Behinderung eines Kindes unter Umständen annehmbar zu machen.« 113 Was bedeutet »unter Umständen annehmbar machen«?
    Lässt eine Schwangere erst einmal die Einbeziehung selektiver Diagnostik zu, wie es das OSCAR -Prinzip vorsieht, gerät sie unweigerlich in die Spirale weiterer Untersuchungen. So heißt es zwar, notwendige Behandlungen oder weitergehende Eingriffe werden erläutert. Zum Routinetermin nach dem OSCAR -Prinzip scheint die Beratung vor dem Ersttrimester-Screening gemäß Gendiagnostikgesetz jedoch nicht zu gehören. 114
    Es geht hier nicht darum, eine bestimmte Arztpraxis oder Klinik an den Pranger zu stellen. Sicher geben auch die Menschen der Pränatal-Medizin München ihr Bestes, um einen guten Job zu machen. Dies ist nur ein Beispiel von vielen möglichen anderen, wie sie etwa auch Silja Samerski in einer ganzen Reihe genetischer Beratungsgespräche für ihr Buch Die Entscheidungsfalle protokolliert hat. 115 Aber es zeigt deutlich, in welch unüberschaubare Lage Schwangere kommen können und wie die Grenzen verschwimmen zwischen einer Diagnostik mit dem Ziel der Therapie und einer mit dem Ziel der Selektion von Ungeborenen. Entgegen der Intention des Gendiagnostikgesetzes.
    Wenn nun also ein früher Bluttest wie der von LifeCodexx für die Diagnostik zur Verfügung steht, welche Schwangere wird bei den vielen Angeboten zur vermeintlichen »Sicherheit für Sie und ihr Kind« noch

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