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Mein glaeserner Bauch

Mein glaeserner Bauch

Titel: Mein glaeserner Bauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Hey
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den Überblick behalten? Was will eine Schwangere wissen und was nicht? Und was kann sie verkraften?
    In wenigen Jahren werden gesunde Paare sich darauf untersuchen lassen können, ob sie ein erhöhtes Risiko für die Geburt eines Kindes mit einer von Tausenden, wenn nicht nahezu allen rezessiv erblichen Krankheiten haben. Für mindestens eines von hundert Paaren wird sich dabei eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine mögliche Erkrankung des Kindes ergeben, schreibt Peter Propping, Direktor des Instituts für Humangenetik der Universität Bonn. 116 Eine Revolution in der Familienplanung: Alle Menschen mit Kinderwunsch lassen prüfen, ob sie möglicherweise Träger von Tausenden verschiedener, eventuell krank machender Gene sind, ohne selbst krank zu sein. Sind beide Elternteile Träger je eines mutierten und eines normalen Gens, dann liegt die Chance, dass ihr Kind nur die intakten Gene erbt, statistisch bei fünfundzwanzig Prozent. Die Wahrscheinlichkeit für das Kind, selbst zwar gesund zu sein, aber mit einer intakten und einer mutierten Kopie der elterlichen Gene zur Welt zu kommen und die Mutation später eventuell weiterzuvererben, beträgt fünfzig Prozent. Dass die nicht erkrankten Eltern ihrem Kind die krank machende Variante vererben und es tatsächlich erkrankt, ist jedoch zu fünfundzwanzig Prozent auch möglich. Immer mehr – zurzeit etwa dreitausenddreihundert – der mittlerweile elftausend erforschten genetischen Erkrankungen können anhand genetischer Testverfahren aufgespürt werden. Ein tatsächlicher Ausbruch der Krankheit ist aber nur in wenigen Fällen vorhersagbar. 117
    Wie entscheiden Eltern sich angesichts einer Flut von genetischen Informationen? Wird aus den Labors die Empfehlung kommen, wer Kinder haben sollte und wer nicht? Welche Behinderungen oder Krankheiten sollen dann nicht mehr vorkommen dürfen? Und wer entscheidet darüber? Welches Kind darf auf die Welt kommen und welches nicht?
    Die Gefahren werden selten genug dargestellt. Und es gibt kaum eine öffentliche Diskussion darüber. Die geringste Gefahr scheint dabei noch zu sein, dass die Entscheidung den Eltern abgenommen und direkter Zwang ausgeübt wird. Weitaus effektiver als ein administratives Regime, das von oben steuert, ist die gelenkte Selbstbestimmung, die Anleitung zu informierten Entscheidungen, schreibt Silja Samerski in ihrem Buch Die Entscheidungsfalle – Wie genetische Aufklärung die Gesellschaft entmündigt. 118

    Seit Urzeiten war Schwangerschaft eine Reise ins Unbekannte, sagt die amerikanische Professorin Barbara Katz Rothman. Und das werde natürlich auch so bleiben. Was könne man schon wirklich wissen über eine noch nicht geborene Person. Die Soziologin hat sich bereits vor mehr als fünfundzwanzig Jahren mit dem Thema Schwangerschaft auf Abruf 119 beschäftigt. Aber auch sie findet, dass die Schwelle zur pränatalen Diagnostik heute viel undeutlicher ist als damals. Und die meisten vorgeburtlichen Diagnosen, die heute vorgenommen werden, nicht auf eine bewusste Entscheidung der Frauen zurückgehen. Vorgeburtliche Tests ließen Frauen glauben, sie wüssten, was für ein Kind sie haben werden. Aber Elternwerden bleibt unausweichlich ein Sprung in eine unbekannte Zukunft, über die wir nichts wissen können, sagt die Wissenschaftlerin. Wir können beschließen, dass wir kein Kind mit einer geistigen Behinderung großziehen wollen, und wissen doch, dass jedes Kind durch einen Unfall plötzlich ein solches Kind werden kann. 120
    Ich hatte mich, als meine Schwangerschaft festgestellt wurde, bewusst gegen eine Fruchtwasseruntersuchung entschieden. Weil ich das Leben meines Kindes nicht gefährden wollte. Und weil die Untersuchung nicht dazu dient, Behinderungen zu verhindern, sondern behinderte Kinder. Klaus und meiner Ärztin hatte ich meine Entscheidung ausdrücklich mitgeteilt.
    Mit der Zustimmung zur Ultraschalluntersuchung hatte ich gehofft, meinem Kind rechtzeitig helfen zu können, falls es in meinem Bauch nicht richtig versorgt würde. Leider wusste ich nicht, dass auch die Ultraschalluntersuchung schon Teil des Down-Syndrom-Screenings ist und das Ziel hat, behinderte Kinder möglichst frühzeitig zu entdecken.
    Als ich mich auf die Seite meines Kindes stellte, es austragen wollte, auch wenn es behindert sein würde, hatten die Ärzte behauptet, unser Kind sei nicht lebensfähig. Warum wurde ihm dann nicht wenigstens die beschützte Zeit in meinem Körper gestattet, uns gemeinsam Zeit gelassen,

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