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Mein Glueck

Mein Glueck

Titel: Mein Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Spies
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aus dem Nachlass des Künstlers vorgeschlagen worden, eine großartige Hommage an Frankreich, an die Touraine, in der Max Ernst nach seiner Rückkehr aus dem amerikanischen Exil einige seiner schönsten Jahre verbracht hatte. Dort waren vor allem mehrere große Skulpturen entstanden. Die zuständigen Kuratoren im Centre Pompidou, die über den Vorschlag der Familie abzustimmen hatten, lehnten das Bild ab. Der Grund war, wie so oft, der Aberglaube, ein jüngeres Werk könne nie die Bedeutung eines aus einer frühen Werkphase erreichen. Denselben gravierenden Fehler hatte auch Bozo gemacht, als es darum ging, Werke für das Picasso-Museum auszusuchen. Die grandiose, damals noch verlachte Spätzeit von Mougins wurde eher als »quantité négligeable« angesehen. Nur Sammler und Käufer wie Angela und Siegfried Rosengart und Peter Ludwig hatten die Unverwechselbarkeit des späten Picasso erkannt. Ich war sehr unglücklich über die Entscheidung des Centre Pompidou gewesen und ließ aus diesem Grunde das Bild von Max Ernst in die Ausstellung nach Bonn kommen. Dort plazierte ich es so, dass es über dem Rednerpult, an dem Helmut Schmidt, Giscard d’Estaing und ich sprachen, während der Eröffnung ständiger Blickfang blieb. Giscard begann seine Rede über Max Ernst in deutscher Sprache. Er begann mit dem Hinweis auf das »eindrucksvolle Bild« hinter seinem Rücken, das auf einzigartige Weise eine Liebeserklärung des Künstlers aus Deutschland an seine Wahlheimat Frankreich darstelle. Dann fuhr er in seiner Rede auf Französisch fort: »Mais Max Ernst était aussi Français« – »Aber Max Ernst war auch Franzose«. Dies gab ihm das Stichwort für einen flammenden Appell an die ehemaligen Erbfeinde, sich aufeinander zuzubewegen. Fast das ganze französische Kabinett war angereist, zusammen mit Premierminister Raymond Barre. Als Dank schickte mir Giscard d’Estaing später über das Bundeskanzleramt eine große nachtblaue Vase aus Sèvres-Porzellan. Der französische Zoll forderte dafür 408 Francs. Schließlich, nach einem Brief an die Direction Générale des Douanes, in dem ich den Grund dieser Einfuhr erläuterte, erhielt ich am 25. August 1980 ein Schreiben vom Ministère du Budget, aus dem ich erfuhr, dass Freistellungen in solchen Fällen gesetzlich nicht vorgesehen sind. Der Brief endete mit dem Satz: »Toutefois, pour tenir compte des circonstances particulières qui ont entouré la remise de cette pièce de collection d’origine française, et par une mesure d’une extrême bienveillance, je vous autorise à l’importer en franchise de T.V.A.« (»Um gleichwohl den außergewöhnlichen Umständen Rechnung zu tragen, die die Aushändigung dieses einer französischen Kollektion entstammenden Stückes begleiteten, und in einem Akt äußersten Wohlwollens genehmige ich Ihnen hiermit, das Objekt unter Freistellung von den anfallenden Zollkosten auszuführen.«) Natürlich machte Giscards Hinweis in seiner Rede auf »Le Jardin de la France« tiefen Eindruck. Das hatte Auswirkungen, und selbstverständlich gelangte das Bild anschließend in die Sammlung des Musée National d’Art Moderne im Centre Georges Pompidou. Anfangs nahmen mir einige im Haus das eher übel, sprachen von einer bösen Intrige. Aber inzwischen besteht ein Konsensus über die Bedeutung dieser Komposition. Giscard hatte nichts mit der Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts am Hut. Es war auch ein offenes Geheimnis, dass er den Bau des Centre nach dem frühen Tod von Pompidou am liebsten wieder eingestellt hätte. Neulich noch traf ich ihn, und er fragte mich, ob ich die Retrospektive von Jean-Léon Gérôme im Musée d’Orsay schon gesehen hätte. Als ich dies verneinte, meinte er, das müsste ich sofort nachholen. Und er fügte als Kommentar zur Kunst dieses Vertreters einer Art Pompier, die mit Gladiatoren und Sandalenheroen spielt, hinzu, Gérômes Werk sei doch von höchster Modernität. Vielleicht war dank seiner Passion für die Salonkünstler des neunzehnten Jahrhunderts der Verdacht in ihm erwacht, dass Max Ernst für »Le Jardin de la France« eine etwas verkleinerte Kopie von Cabanels »Geburt der Venus«, die er auf dem Flohmarkt gefunden hatte, umgearbeitet hatte. Raymond Barre, der »Paris–Berlin« zusammen mit dem Regierenden Bürgermeister eröffnet hatte, kam einige Zeit danach auch zur Gedächtnisausstellung anlässlich des hundertsten Geburtstags von Max Ernst, die ich 1992 , ebenfalls im Centre Pompidou, zeigen konnte. Auch

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