Mein Glueck
dieser Veranstaltung, die wieder Dominique Bozo verhindern wollte, bereitete erneut Roland Dumas den Weg. Auf einer gemeinsamen Reise nach London stellte er mich Mitterrand vor und erzählte von meinem Projekt, das er sehr schön und wichtig fand. Mitterrand stimmte sofort zu und meinte, es sei die Aufgabe des Centre Pompidou, diesen großen Künstler zu feiern. Beim Gang durch die Ausstellung, die er zusammen mit Richard von Weizsäcker eröffnete, war er absolut hingerissen von der Nähe zwischen Literatur und Kunst, zwischen deutscher Romantik und französischem Surrealismus, die er in den Collagen und Waldbildern entdeckte. In späteren Jahren, bis hin zu seinem Tod, hatte ich das Glück, mit Raymond Barre immer wieder zusammenzutreffen. Er saß der französischen Kommission vor, die jährlich Vorschläge für den Praemium Imperiale der Japaner unterbreiten sollte. Er hatte mich zusammen mit Jean Clair in den kleinen Kreis berufen, der regelmäßig aus diesem Anlass in einem der berühmtesten Pariser Restaurants mit gleicher Inbrunst über Speisen und Weine wie über die möglichen Kandidaten für die verschiedenen Sparten, in die der Preis aufgeteilt ist, zu beraten pflegte.
Ich hatte längst mein reguläres Studium an der Sorbonne offiziell eingestellt und hörte und las, was mich interessierte und was ich für meine Aufsätze für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und meine ersten Bücher und umfangreicheren Publikationen brauchte. Das war nicht wenig. Kahnweiler meinte von Zeit zu Zeit: »Aber Dr. Werner Spies würde doch so gut klingen. Du solltest weitermachen.« Max Imdahl, einer meiner anregendsten und großzügigsten Freunde, schlug mir vor, doch eine meiner Publikationen bei seiner Fakultät in Bochum einzureichen, so dass es anschließend nur eine Formalität wäre, mir nach einem Rigorosum den Doktortitel zu verleihen. Doch dann kam er eines Tages und meinte: »Ich habe mit meinen Studenten im Oberseminar über dich gesprochen, und sie waren der Ansicht, das wäre schade. Denn du bist für sie in diesem Sinne ein Vorbild, dass man in der Zeit nach 1968 auch ohne Promotion reüssieren kann.« Als ich dann aber Professor an der Kunstakademie Düsseldorf wurde, meinte doch der eine oder andere, ein Doktortitel wäre jetzt angebracht, damit ich mich von den malenden Professoren unterscheide. Ich reichte mein jüngstes Werk Max Ernst Collagen – Inventar und Widerspruch an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn bei Eduard Trier ein, wurde promoviert und erhielt dazu noch einen Preis für die beste Dissertation.
Das Schreiben für die Frankfurter Allgemeine Zeitung macht mich bis heute glücklich. Es garantiert Spontaneität und Abwechslung, gibt mir die Möglichkeit, freier zu formulieren und lässt der Assoziation, die ich liebe, ihren Raum. Vor allem bewahrt es mich davor, in Stereotypien zu verfallen. Es geht dabei nicht um berichtenden Feuilletonismus, sondern um den Versuch, sich im Umgang mit Werken selbst zu sehen und dabei die eigene Veränderung zu notieren. Was mich heute, im Rückblick auf eine bald fünfzigjährige Arbeit für diese Zeitung, beschäftigt, ist, wie ich ähnliche Phänomene, Ausstellungen und Künstler früher beurteilte. Und nicht zuletzt erkenne ich dabei, dass die Zeitenklage, alles Bedeutende liege hinter uns, lächerlich und anmaßend ist.
Die Möglichkeit, die mir dann ein ebenso begeisterter wie mutiger Gottfried Honnefelder von einem Tag auf den andern bot, nämlich in einer zehnbändigen Ausgabe eine Auswahl von Büchern und Aufsätzen zusammenzufassen, war unerwartet. Dazu gehörte ein Enthusiasmus, den ich bei diesem Verleger von Anfang an, in seiner Zeit als Chef von DuMont, mitbekommen hatte. Mir erschien diese Herkulesarbeit wie ein Traum. Und zu Beginn stand auch etwas Traumartiges. Denn als ich nach der Eröffnung einer Ausstellung von Gerhard Richter im Museum Frieder Burda in Baden-Baden beim Abendessen meinen Freunden Marc und Victoria Sursock von diesem Unternehmen erzählte, erhielt ich noch in der Nacht eine SMS, die mir ankündigte, sie würden alles daransetzen, diese Ausgabe zu ermöglichen. Marc Sursock gehört zu den intensivsten Anatomisten von Bildern. Was er im Laufe der Jahre aus den Gemälden von Bacon herausgelesen hat, macht direkt schwindlig. Er brach die Bilder auf und füllte sie mit endlosen Assoziationen, für die ihm die gesamte Kunstgeschichte zur Verfügung steht. Für die Reproduktion auf dem Schuber der besagten
Weitere Kostenlose Bücher