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Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Titel: Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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glauben, man langweile sich den ganzen Tag und sei dankbar für alle möglichen Aufgaben.
    »Ach so. Na, dieser Enrico wird schon wieder auftauchen. Und ich komme morgen mal vorbei und helfe dir. Gibt’s da auch ein paar ältere Semester oder nur so Jungsche?«
    Wanda sah im Geist die jungen Männer vor sich, die im Herkules verkehrten – der Blick immer leicht abwesend, weil sie ihre Kraftakte stumm mitzählten, die Arme mit Muskeln wie gigantisches Popcorn. »Biggi, das ist jetzt nicht dein Ernst. Das sind die Freunde meines Sohnes! Der übrigens auch dein Sohn sein könnte.«
    Biggi zuckte mit den Schultern. »Ich meine ja nur.«
    »Du hast doch den Benno. Habt ihr euch nun endlich mal getroffen?«
    »Noch nicht.« Biggi mied Wandas Blick.
    »Warum denn nicht? Mensch, ihr wart doch mal ganz verrückt aufeinander. Du mit deinem Ledermini und er mit seinen langen Koteletten …« Wanda kicherte bei der Erinnerung an das wilde junge Paar aus den Siebzigern, aber Biggi lachte nicht mit.
    »Eben. Du sagst es. Und jetzt guck mich doch mal an. Der Ledermini würde nicht mal mehr um meinen linken Oberschenkel passen. Benno kriegt doch den Schock seines Lebens!«
    »Quatsch.« Wanda schüttelte energisch den Kopf, auch wenn Biggi natürlich irgendwo recht hatte. »Das sind doch Äußerlichkeiten.«
    »Das sagt sich leicht, wenn man so zierlich ist wie du. Was würde ich jetzt gerade für deine Figur geben.«
    »Ach ja? Wenn du im Tausch meine nervige Kurzsichtigkeit nimmst, dann gern. Ich weiß nicht, wie viele Leute ich schon damit verprellt habe, dass ich sie nicht gegrüßt habe, dabei hab ich sie nur nicht erkannt. Alles, was ich ab zehn Meter Entfernung sehe, ist ein heller Fleck mit Haaren, wenn ich Glück hab, erkenne ich noch, ob weiblich oder männlich.« Sie seufzte. »Innendrin bist du noch genauso wie die Biggi von damals. Darauf kommt es doch an.«
    »Meinst du?« Biggi seufzte jetzt ebenfalls. »Ich hab ihm erst mal ein Foto geschickt.«
    »Na bitte. Dann weiß er doch, wie du aussiehst.«
    Biggi senkte den Blick. »Eins von vor zehn Jahren. Eins, wo mein Busen und ich noch zusammen in ein Porträt gepasst haben.«
    Wanda prustete los, Biggi verzog erst das Gesicht und fiel dann mit ein. »Mann, und ich Rindvieh hab ihm auch noch geschrieben, dass ich ebenfalls für einen Marathon trainiere!« Sie lachte so sehr, dass ihr die Tränen kamen. »Und er … er hat … geschrieben, dass er es kaum … kaum erwarten kann, seinen Arm wieder um meine Taille zu legen. Aber ich hab … ich hab doch gar keine mehr!« Sie krümmten sich jetzt beide vor Lachen. Biggi schniefte laut in ein Taschentuch, wischte sich die Augen und stand auf. »Muss leider los.«
    »Gehst du wieder zum Salsa?« Wanda konnte es nicht fassen. Sie fühlte sich wie erschlagen und allein der Gedanke, noch irgendwelche Aktivitäten veranstalten zu müssen, verursachte ihr Übelkeit.
    Biggi schüttelte den Kopf. »Tai-Chi«, sagte sie stolz. »Ein neuer Kurs im Klub. Meditation und Kampfsport in einem. Hättest ja auch mitmachen können, wenn …« Sie ließ den Rest des Satzes unausgesprochen im Raum stehen. »Also, bis morgen dann. Halt die Ohren steif. Eigentlich ist es doch prima – du kannst den ganzen Tag lang Sport machen. Kostenlos! Ab einem gewissen Alter schwindet nämlich das …«
    »… Muskelgewebe. Ich weiß.«
    Biggi wirkte aus irgendeinem Grunde leicht beleidigt. »Na, dann«, sagte sie spitz und rauschte davon.
    Wanda stand am Fenster und sah ihrer wohlbeleibten Freundin nach, wie sie in absurd hohen Schuhen die Straße entlangtrippelte. Natürlich würde Benno den Schock seines Lebens kriegen. Aber vielleicht war er ja selber auch nicht ganz ehrlich, was seine Person anging? Und Biggi machte sich ganz unnötig mit Kampfsport das Leben schwer? Überhaupt – Tai-Chi, was für ein Blödsinn. »Kenne nur Chai Tee«, murmelte Wanda. Den würde sie morgen mit ins Studio nehmen. Und ein ordentliches Mittagessen. Das hatte sie dauernd vergessen. Und wenn ihr Retter morgen mal wieder dort aufkreuzen sollte, dieser Kai, dann würde sie ihm was davon abgeben, damit er sich nicht wieder diese ekelerregenden Riegel antun musste. Und den Kühlschrank würde sie mit einem Schloss verschließen, denn bezahlt hatte keiner der jungen Männer, die in den letzten Tagen bis an die Schmerzgrenze an den Geräten geschuftet hatten, vereint in ihrem Drang nach dem perfekten Körper. Fast taten sie Wanda leid, denn sie wusste mittlerweile,

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