Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)
fast, um gegen den Motorenlärm anzukämpfen.
»Mama, beruhige dich doch. Was meinst du damit, Enrico ist in Hessen?«
»Es könnte auch Hamburg sein. Jedenfalls ist er nicht hier.«
»Hast du ihn angerufen?«
»Wie denn? Ich weiß ja nicht mal seine Nummer.«
»Okay, okay, ich ruf ihn an. Morgen ist er bestimmt wieder da, keine Panik. Und die Typen im Hof kenne ich, also den einen. Das ist Axel, der ist kein Hells Angel . Ich hab ihm gesagt, er kann seine Harley ruhig im Hof abstellen.«
»Axel und seine Harley«, wiederholte Wanda tonlos. Draußen röhrte es wieder. Wanda hielt das Handy in die Luft. »Hörst du das?«, schrie sie. »Der stellt sein Motorrad nicht nur ab.«
Matti wechselte jetzt ohne Eile die Maschine und würdigte Wanda keines Blickes. Das Geknatter draußen verstummte. Wanda presste das Handy wieder an ihr Ohr.
»Sag Axel halt, dass er nicht so einen Krach machen soll«, erklärte Stefan in aller Seelenruhe.
»Ich bin doch nicht lebensmüde. Das machst du schön selber. Ruf ihn an, du hast doch nichts zu tun.« Wanda biss sich auf die Lippe. Verdammt. Das hatte sie nicht sagen wollen. »Entschuldige.«
»Schon gut.« Stefan klang deprimiert.
»Wie geht es dir denn? Hast du noch Schmerzen?«
»Geht so. Essen ist Mist. Und langweilig ist es.«
Einen Moment lang schwiegen sie sich an, und Mattis Schnaufen und das Klirren der Gewichte waren die einzigen Geräusche im Raum.
»Was mache ich denn jetzt?«, fragte Wanda schließlich erneut. »Wenn Enrico nicht hier ist. Ich kann doch nicht einfach nach Hause gehen?«
»Bleib bitte dort, Mama. Ist doch nur heute. Morgen ist Enrico bestimmt wieder da. Du kannst ja die Sauna benutzen, wenn du willst. Oder die Sonnenbank, der Deckel ist aber kaputt, musst du aufpassen. Oder die Maschinen, einer von den Jungs zeigt dir bestimmt, wie das geht. Ab einem gewissen Alter schwindet pro Jahr das Muskelgewebe, wusstest du das? Deswegen sollten gerade ältere Menschen …«
»Ich hab ein Buch mit«, unterbrach ihn Wanda. Vielleicht setzte sie sich noch nackig mit Popeye in die Sauna, also Stefan hatte vielleicht Vorstellungen! »Und nur bis um 20.00 Uhr. Dann mache ich hier zu.«
»Okay, okay. Danke. Und ich regele das mit Enrico.«
»Mach das bitte.« Ihre Stimme wurde etwas weicher. »Und sieh zu, dass du bald wieder gesund wirst.«
»Ich versuch’s.« Er legte auf. Wanda seufzte. Sie suchte nach einem Lappen und fand schließlich ein graues, muffig riechendes Ding in einem Eimer, das offenbar seit der Einweihungsparty vor sich hin moderte. Sie zwang sich dazu, es auszuwaschen und wischte dann lustlos zwischen den Dosenpyramiden herum. Kopfschüttelnd blätterte sie danach in einem Bodybuilding-Magazin und beobachtete mit halbem Auge Matti, der schnaufend an verschiedenen Maschinen irgendwelche Eisenscheiben stemmte.
Jetzt war er offenbar fertig, denn er zog sich wieder die Jacke an und schlenderte gemütlich in Richtung Ausgang. Er hinterließ zwei leere Plastikflaschen und einen strengen Geruch. An der Tür drehte er sich plötzlich noch mal zu Wanda um. »In Hildesheim ist er«, sagte er. »Jetzt ist es mir wieder eingefallen.« Die Tür fiel krachend hinter ihm ins Schloss.
»Dir auch noch einen schönen Tag«, murmelte Wanda. Sie begab sich zur Tür, die in den Innenhof hinausging und spähte vorsichtig durch das Fenster nach draußen. Das Motorrad stand immer noch da, von den beiden Bikern fehlte jede Spur. Sie atmete auf. Stefans Worte hatten sie zwar einigermaßen beruhigt, aber man konnte ja nie wissen. Und so, wie die aussahen …
Ihr Magen knurrte auf einmal. Mist, sie hatte sich nicht mal etwas zu essen mitgebracht. Zögernd griff sie nach einem der Proteinriegel. Triple Power Sensation Strawberry . Sie wickelte das Ding aus und biss misstrauisch ein Stück ab. Es war von einem gräulichen Rosa, schmeckte quietschsüß, kreidig und ein bisschen wie Diabetikerpudding aus dem Reformhaus. Sofort hatte Wanda das Gefühl, ein Stück Zement verzehrt zu haben. Widerlich. Da waren ja die Heuschrecken noch appetitlicher. Sie musste sich augenblicklich bewegen.
Sie schlenderte zu einer der Maschinen hinüber und wischte sie erst mal sauber. Dann betrachtete sie neugierig die runden Scheiben, die an einer Eisenstange befestigt waren. Aha, das waren offenbar die Gewichte. Die Scheiben, die im Moment dort befestigt waren, wogen jeweils vier Kilo. Nach kurzem Zögern und einem Blick zur Tür ließ sie sich auf der Hantelbank nieder. Das
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