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Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Titel: Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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schnappte, erschien ein zweiter Biker hinter ihm. Dieser trug eine Lederweste und eine Art im Nacken verknüpftes Kopftuch, das Wanda auf völlig irrwitzige Weise an den Frühjahrsputz ihrer Mutter erinnerte. Sekundenlang sagte keiner was.
    »Tag«, quetschte Wanda schließlich heraus. Wo war die verdammte Mülltonne? Auf der gegenüberliegenden Seite, na klar. Wie sollte es auch anders sein.
    »Tag«, erwiderte der Glatzköpfige nach einem Moment. Er musterte die Einkaufstüte, die Wanda schützend vor ihren Bauch presste. »Zum Aldi geht’s vorne raus.«
    Sein Kumpel prustete los, und Wanda drehte sich augenblicklich um und stolperte zurück in die Muckibude. Ihr Herz raste. Waren das die berüchtigten Hells Angels ? Erst neulich hatte sie eine beängstigende Dokumentation über Bandenkriege gesehen. Warum hatte Stefan sie nicht gewarnt? Oder wusste er gar nichts davon? Die Tür zum Innenhof war nicht abgeschlossen, und die beiden mit dem Eiweiß und Kohlenhydraten waren nach Hause gegangen, verdammter Mist. Die Tüte rutschte Wanda aus der Hand, ihr halber Inhalt verteilte sich über den Fußboden. Wanda ignorierte den Dreck. Sie würde es noch mal bei Stefan probieren. Und dann schleunigst hier verschwinden. Den Laden abschließen. Notfalls bei der katzenliebenden Verhaltenstherapeutin an die Tür bummern und um Hilfe rufen. Halt – jemand kam zum Eingang hereingeschlendert. Ein junger Mann in natogrüner Kapuzenjacke und Trainingshose, mit kurz geschorenen Haaren und dem federnden Gang eines Boxers. Das musste Enrico sein, Gott sei Dank.
    »Da sind Sie ja endlich«, begrüßte Wanda ihn erleichtert. »Ich warte schon die ganze Zeit.«
    Der Typ sah sie erstaunt an. »Hm?«
    »Sie sind doch Enrico?«
    »Nee, bin ich nicht. Sind Sie die Putze?«
    Wanda nahm plötzlich wieder den verdorbenen Geruch wahr, der von dem Müll auf dem Boden hochwaberte wie giftiger Nebel. Ihr wurde siedend heiß. Was für einen Anblick sie bieten musste! Verschwitzt und von Müll umgeben, Schrubber neben sich und Panik im Blick. Sie streckte sich und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. »Ich bin Stefans Mutter. Er hatte einen Unfall und liegt im Krankenhaus. Wissen Sie, wann Enrico kommt?«
    »Unfall? Ach.« Der Typ stand eine Sekunde lang betreten da, dann quetschte er sich an ihr vorbei zum Kühlschrank. Sehr wohl darauf bedacht, mit dem Müll nicht in Berührung zu kommen. »’tschuldigung. Das ist natürlich Mist, wenn er so lange im Krankenhaus liegt, schlaffen ihm die Muskeln wieder ab.« Er klaubte sich drei Getränke aus dem Kühlschrank, dann griff er noch in das Regal mit den Proteinriegeln und nahm eine Handvoll. Pfeifend begab er sich zu einer der Maschinen, zog die Kapuzenjacke aus, betrachtete zufrieden seinen nackten, muskulösen Oberkörper in der Spiegelwand und begann, etwas an der Maschine einzustellen.
    »Wollen Sie die Getränke nicht bezahlen?«, fragte Wanda konsterniert.
    »Stefan schreibt das immer auf. Können Sie mal die Anlage anschmeißen?«
    Wanda wurde langsam wütend. Was für ein ungehobelter Klotz. »Die Anlage können Sie selber anschmeißen. Und wie heißen Sie eigentlich?«
    Der junge Mann hatte sich jetzt auf die Bank unter der Maschine gelegt. Er griff nach zwei herunterbaumelnden Lederschlingen. »Matti. Die Anlage ist im Büro, neben dem Computer. Sie sehen doch, ich kann jetzt nicht.« Er zog schnaufend die Gewichte an der Maschine hoch und runter. »Und ich glaube …«, er keuchte, »… der Enrico ist irgendwie bei seiner neuen Freundin.« Ein Ächzen, als ob er jedes Wort herausschwitzte. »In … Hamburg … oder Hessen. Irgendwas mit … H.«
    »Wie bitte?«, rutschte es Wanda heraus. Also das reichte jetzt. Sie wählte mit zitternden Fingern Stefans Nummer.
    »Hallo?« Er klang müde, und prompt wollte sie ihn lieber verschonen, aber das ging leider nicht.
    »Stefan, ich bin’s. Du kannst dir nicht vorstellen, was hier los ist. Im Hof hinten sind irgendwelche Hells Angels mit ihren Motorrädern!« Wie als Beweis jaulte draußen ein Motor auf. »Was mache ich denn jetzt? Soll ich die Polizei rufen? Und Enrico ist nicht da. Er ist angeblich in Hessen, das behauptet zumindest so ein Typ, der aussieht wie Popeye. Der denkt, ich bin die Putzfrau.« Wandas Stimme wurde immer schriller. »Bezahlt hat er auch nicht. Und weißt du eigentlich, wie ekelhaft es ist, alte Dönerbrühe zu entsorgen? Und was um alles in der Welt sind langkettige Kohlenhydrate?« Das letzte Wort schrie sie

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