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Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Titel: Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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entgeistert. »Du?«
    »Ja, ich.«
    Zu ihrer Verblüffung fing er schallend an zu lachen.
    »Was ist da dran so lustig?«, fragte Wanda leicht pikiert.
    »Du machst Witze, oder? Du bist eine gesetzte ältere Dame, du hast Geschmack und Stil und bist eine der wenigen Frauen in meinem Alter, die mir nicht dauernd von ihren Krankheitssymptomen erzählen und eine Ferndiagnose wollen. Aber ein Bodybuilder, entschuldige«, er lachte wieder und prustete dabei ein bisschen Kaffee in seine Serviette, »ein Arnold Schwarzenegger bist du weiß Gott nicht.«
    Wanda verspürte einen kleinen Stich. Gesetzte ältere Dame. Sonderlich erotisch klang das nicht gerade. Suchte Bertram vielleicht doch nur eine platonische Reisebegleitung, weil sein Englisch zu mies war, um mit den Einheimischen zu reden? »Ich will ja auch kein Bodybuilder werden, sondern nur das Studio Herkules vorübergehend leiten.«
    » Herkules ? Heißt das so? Großer Gott. Und dafür lässt du eine Australienreise sausen?« Er sah sie fassungslos an. Gekränkt.
    »Es tut mir leid. Aber Stefan braucht meine Hilfe.«
    Sie sahen sich an und schwiegen. Die Kellnerin stellte mit einem fröhlichen Zwitschern ein Glas Wasser vor Wanda ab. Wanda fischte die schlaffe Zitronenscheibe heraus, die wie ein toter Goldfisch darin herumschwamm. Warum schmissen die hier ungefragt Zitronenscheiben in ihr Wasser? Und warum reagierte Bertram so verständnislos? Sie hatte das Gefühl, als ob in diesem Moment alles, was auch nur ansatzweise zwischen ihnen existierte, mit einem Schlag zerbrach. »Es tut mir leid«, sagte sie wieder.
    »Mir auch. Ich hatte mich wirklich sehr gefreut, dass du mitkommst.«
    »Vielleicht nächstes Jahr.«
    »Nächstes Jahr will ich nach Kuba.«
    »Kuba klingt auch toll. Da wollte ich schon immer mal hin. Ich kann sogar Salsa tanzen. Die Grundschritte.« Herrgott, was redete sie da nur?
    »Nächstes Jahr. In Havanna. Abgemacht?« Er hielt ihr die Hand hin und erleichtert schlug sie ein. Wenigstens war er nicht mehr sauer.
    »Abgemacht. Und schreibe mir ganz viele Karten, versprochen?«
    »Natürlich mache ich das.« Er drehte die Broschüre hin und her, und Wanda trank einen Schluck des säuerlichen Wassers. Irgendwie war jetzt alles gesagt. »Ich muss los.«
    »Zum Bodybuilding?«
    Und irgendetwas an der spöttischen Art, wie er das sagte, reizte ihren Widerspruch. Was war eigentlich so verkehrt daran, dass eine Frau mit dreiundsechzig ihren Fuß in ein Fitnessstudio setzte? Es war auch nicht alberner, als Heuschrecken zu essen oder in muffigen Turnhallen Salsa zu tanzen!
    »Ja, ins Herkules «, antwortete sie daher mit fester Stimme. »Und apropos – wusstest du eigentlich, dass ab einem gewissen Alter das Muskelgewebe schwindet?«
    Er sah sie verblüfft an.
    »Man ist nie zu alt zum Trainieren.« Sie stand auf. »Gute Reise, Bertram.«

7   So was von aggro!
    Gott sei Dank war sie erst mal alleine im Herkules, so konnte sie sich in Ruhe bei einer Kanne Tee die Papierstapel in Stefans Büro vorknöpfen. Sich ablenken. Nicht mehr an Bertram denken, und an den idiotischen Sonnenhut, den sie sich spontan und viel zu übereilt gekauft hatte. War sie zu schnippisch zu ihm gewesen? Schweren Herzens musste sie sich eingestehen, dass eigentlich jede Faser ihres Körpers nichts anderes wollte, als mit ihm nach Australien zu fliegen, anstatt in dieser trübsinnigen Fitnessbude herumzusitzen. Der aromatische Geruch nach Ingwer und Kardamom legte sich wie ein wohltuender Schleier über den testosterongeschwängerten Mief im Kraftraum und machte es erträglicher, die deprimierende Post zu lesen, bei der es sich größtenteils um Rechnungen und Mahnungen handelte. Für ein intensiveres Eintauchen in Stefans Finanzen fehlte Wanda im Moment die Kraft, vielleicht konnte ja Franziska mal einen Blick darauf werfen? Das war schließlich ihr Job und würde ihr wesentlich schneller von der Hand gehen. Sie griff nach dem Telefon. »Franziska?«
    »Ja, was ist denn?«
    Wanda kam gleich zur Sache. »Du, ich brauche unbedingt deine Hilfe.«
    »Wobei?« Franziska klang misstrauisch.
    »Du musst mal herkommen, Stefans Rechnungen durchgehen. Da herrscht absolutes Chaos.«
    »Bei Stefan herrschte schon immer Chaos. Erinnerst du dich noch an sein Zimmer? Eine Höhle. Höhle!« Franziska zog das ö in die Länge wie Kaugummi. »Und du hast den Saustall für ihn saubergemacht, wenn du es nicht mehr ertragen konntest, das hat er genau gewusst. Willst du das jetzt wieder tun? Da

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