Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)
Kopfhörer ins Trommelfell injizierten.
»Das ist also dein Klub?« Wanda konnte es nicht fassen. »Hier gehst du immer hin?«
»Na ja.« Biggi griff nach ihrer unförmigen Sporttasche, die sie auf dem Boden abgestellt hatte. »Also an die Maschinen und so gehe ich nie. Also, ich gehe meistens in die Sauna oder zu einem Kurs.«
»Ihr könnt euch die isotonischen Drinks an unserer Power Fountain kostenlos auffüllen«, meldete sich ungefragt das Kind von der Rezeption. »Und der Jack beginnt diese Woche den Beach-Body-Kurs, wenn ihr euch da noch anmelden wollt. Und dann haben wir noch die Promotion für das Indoor Cycling und Power Yoga laufen. Buy one, get one free. Body Combat fängt in zehn Minuten an, falls ihr Action wollt.« Sie verstummte so urplötzlich, wie sie begonnen hatte, und schlug die Augen mit den zentimeterlangen Wimpern kokett auf. Die konnten doch unmöglich echt sein.
Wanda fühlte sich in ihren Urlaub in Paris vor sechs Jahren zurückversetzt, den letzten gemeinsamen Urlaub mit Wolfgang. Genauso blöd und überrumpelt hatten sie damals dem Kellner in diesem Nobelrestaurant zugehört, der ihnen in völlig unverständlicher Terminologie irgendetwas angepriesen hatte, von dem sie bis heute nicht wusste, was es gewesen war.
»Hm«, machte Biggi vage. »Wir gucken mal.«
Dem Rezeptionsmädchen schien das zu genügen. Mit ausdruckslosem Lächeln wandte sie sich ab und widmete sich dem Einsortieren utopisch blauer Drinks in ein Kühlregal.
»Was genau hat die eben gemeint?«, fragte Wanda leise. Vielleicht konnte Biggi ja das Geschwätz der Kleinen dekodieren.
»Ist doch egal«, brummelte Biggi.
Aha. Auf jeden Fall war es gut zu wissen, dass Biggi offenbar auch keine Ahnung hatte.
Biggi steuerte eine Art verchromtes Waschbecken an, das in der Ecke stand. »Willst du auch was?«, wollte sie wissen.
»Will ich was?«, fragte Wanda zurück.
»So einen Drink. Das ist die Power Fountain .«
»Was für einen Drink?«
»So iso … was weiß ich. Ist kostenlos. Da kann man doch nicht nein sagen.« Biggi drückte einen Knopf, und ein feuerroter Strahl schoss heraus und in ihre darunter gehaltene Plastikflasche hinein.
»Ist das rote Brause?« Wanda sah ihr skeptisch zu.
»Nein. Das ist irgendwie gut für dich. Und kostet nichts. Solltest du auch im Herkules einführen.«
Wanda zog die Augenbrauen hoch. Na, das würde sich noch herausstellen. Sie wollte sich hier nur mal umsehen, ein paar Ideen sammeln. Aber eigentlich war ihr schon nach den ersten paar Minuten klar, dass das Herkules niemals an das hier heranreichen würde. Und schon gar nicht mit Tausenden von Schulden an Bord. Was für eine Schnapsidee, zu glauben, dass sie das Herkules retten konnte. Voller Bedauern dachte sie an Bertram, der wahrscheinlich gerade im Baedecker blätterte oder Tickets für die Oper in Sydney buchte.
Dieser Club hier ging ihr jedenfalls jetzt schon auf die Nerven, und sie war noch nicht einmal richtig drin. Sie passten doch schon rein altersmäßig überhaupt nicht her.
»Wie bist du eigentlich auf den Klub gekommen?«, fragte Wanda betont beiläufig, als sie an schwitzenden, unglaublich straffen und schlanken jungen Menschen vorbeiliefen, die sie keines Blickes würdigten. Wanda wünschte, sie hätte sich etwas anderes angezogen. Sie kam sich vor wie die Putzfrau. Wie zwei Putzfrauen, die aus Versehen zum Vordereingang hereingetrampelt waren. Da konnte Biggi noch so abgebrüht tun. Es war klar, dass sie hier nicht hergehörte. Das Durchschnittsalter lag weit unter dreißig und das Durchschnittsgewicht war nur unerheblich höher. Wahrscheinlich war Biggi auch noch nie in einem der Kurse gewesen. Wahrscheinlich kam sie nur hierher, um in dem kleinen eleganten Bistro da hinten einen Cappuccino zu trinken, weil der auch kostenlos war.
»Schnupperangebot, wie gesagt. Da war so eine Anzeige in der Zeitung, als sie aufgemacht haben. Die ersten fünfzig Leute bekamen das erste halbe Jahr für zwanzig Euro im Monat. Da bin ich natürlich gleich hin.«
Das war typisch, dachte Wanda. Biggi würde sich auch beim Kochkurs für Allergiker, beim Pfeil-und-Bogen-Schießen und bei der Steuerberatung für ehemalige Callgirls anmelden, wenn es nur kostenlos war oder sie irgendwie das Gefühl vermittelt bekam, dabei Geld zu sparen. Und was war nach sechs Monaten? Wie wollte Biggi das bezahlen? »Und wie willst du das bezahlen, wenn die sechs Monate vorbei sind? Wenn sie, wie sagtest du doch so schön, die Daumenschrauben
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