Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)
vergessen, Oma«, rief er laut.
»Wie bitte?« Auf alles war sie gefasst gewesen, aber nicht darauf. Und warum brüllte der so? Hielt er sie für schwerhörig?
Der Typ bückte sich und berührte ihre Füße.
War das ein Perverser? Ein Fußfetischist?
»Du hast meine Badelatschen angezogen. Deine stehen noch dort.« Er zeigte zur finnischen Sauna, wo sein Freund einem Paar blauer Badelatschen einen kleinen Tritt gab.
»Oh.« Mehr brachte sie vor Schreck nicht heraus.
»Sieht man doch. Meine sind von Diesel, deine sind von … Aldi oder so.« Er lachte herzlich über seinen eigenen Witz. »Na, nichts für ungut.«
»Verzeihung«, krächzte Wanda.
Der Typ winkte ab und ging amüsiert und kopfschüttelnd zu seinem Freund zurück. Wanda war sich sicher, die Worte »senil« und »Fußpilz« zu hören.
Wie in Trance suchte sie sich zum Ausgang durch. Die Badelatschen ließ sie einfach stehen. Der Typ hatte recht, sie waren ohnehin nur von Aldi. Bloß weg hier. Planet of Fitness? Wohl eher Planet der Affen. Planet des Irrsinns! Wie durch ein Wunder fand sie den Weg in die Umkleide, wie durch ein Wunder war dort niemand, der sie fluchen hörte, als sie sich auch noch den Kopf an der offenen Schranktür stieß. Und in diesem Moment überkam Wanda eine unglaubliche Wut. Was bildeten sich diese ganzen jungen Typen eigentlich ein? Was bildete sich die Welt ein? Dass ein Fitnessklub nur was für junge Leute war? Ein Mittel zu dem Zweck, nicht wie die eigene Mutter auszusehen? Weil die notgedrungen alt und unsportlich war? Wanda stülpte sich in Windeseile ihre Sachen über. Wo blieb Biggi? Es galt, keine Zeit zu verlieren. Wanda wusste mit einem Mal genau, was sie wollte: Sie würde das Herkules ummodeln. Aber auf ganz andere Weise. Nicht mit diesem Jugendwahn, nicht mit power dies und combat das und respektlosen Slogans und futuristischen Hallen. Nein, Wanda würde das ganz anders angehen. Sie marschierte los und riss die Tür des Umkleideraumes auf.
»Was grinst du da so dämlich?«, fuhr sie den Buddha beim Rausgehen an.
»Das kannst du doch nicht einfach so machen!« Biggi stand an der Rezeption und knetete verzweifelt ihre Hände. Vor dem Kühlschrank stand nicht mehr das dünne Kind, sondern ein durchtrainierter Mann mit Sonnenbrille.
»Tut mir Leid, äh …«, er schielte kurz auf den Computer, »… Biggi, aber wie es aussieht, hättest du schon zweimal die vollen Gebühren zahlen müssen. Wieso hat das nur niemand bemerkt?«
»Also war es euer Fehler«, antwortete Biggi triumphierend. »Da kann ich ja nichts dafür. Ich sehe gar nicht ein, dass ich für eure Schussligkeit zahlen muss.«
»Was ist denn los?«, fragte Wanda, als sie neben Biggi trat.
»Ich komme hier an und will mir einen Schlüssel geben lassen, und der guckt auf mein Konto und sagt, die haben die Gebühren erhöht«, schnaubte Biggi. »Urplötzlich!«
»Also, nicht urplötzlich«, meldete sich der Mann zu Wort. »Das war ja von Anfang an klar, dass der Preis hochgeht. Du hast doch den Vertrag unterschrieben.«
Biggi ignorierte ihn. »Jetzt wollen die auf einmal hundert Euro im Monat. Hundert! Erst waren es zwanzig!«
»Das war der Schnupperpreis«, erklärte der Mann mit bewundernswerter Geduld.
»Schnupperpreis, jaja. Erst die Leute mit Versprechungen anlocken und dann die Daumenschrauben anziehen, schämt ihr euch denn gar nicht?« Biggi regte sich immer mehr auf.
»Biggi«, murmelte Wanda unbehaglich. »Lass doch.«
»Es steht dir ja frei, die Mitgliedschaft zu kündigen, Biggi«, sagte der Mann, er klang nun doch leicht genervt. »Gibt ja ’ne Menge andere Fitnessklubs, die vielleicht deinen …«, er musterte Biggi kurz, »Bedürfnissen mehr entsprechen.«
»Allerdings, die gibt es.« Biggi klatschte ihr Portemonnaie auf den Tresen. »Zum Beispiel das Studio Herkules . Das gehört meiner Freundin hier!« Sie pikte Wanda aufgeregt in den Arm. »Da geht es viel freundlicher zu als hier. Ich melde mich ab.«
»Das Studio Herkules . Na klar.« Der Mann grinste. Er kannte das Herkules, da gab es keinen Zweifel.
Schamröte kroch Wanda ins Gesicht. »Es wird gerade … renoviert«, sagte sie kläglich.
»Dann viel Spaß dort bei den Herren vom Herkules . So, bitte hier unterschreiben.« Der Mann hielt Biggi ein Blatt vor die Nase, Biggi murmelte noch irgendetwas Unverständliches, aber Wanda hörte gar nicht mehr hin. Etwas anderes hatte ihre Aufmerksamkeit geweckt. Ein Schild, links gleich neben dem Eingang. Das hatten sie
Weitere Kostenlose Bücher