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Mein grosser Bruder

Mein grosser Bruder

Titel: Mein grosser Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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vorstellen konnte, daß ich etwas anderes studierte. Aber du, Vivi? Was wirst du denn in Zukunft tun? Du willst doch nicht diese Statisterei als schöne Lebensaufgabe wählen?“
    „Ach, nein, da kannst du beruhigt sein. Vorläufig ist es meine schöne Lebensaufgabe, meinem Bruder den Haushalt zu führen.“
    „Und dann?“
    „Dann?“
    „Nun ja, einmal mußt du doch anfangen, dein eigenes Leben zu leben, mußt dir einen Beruf suchen.“
    „Ja, ich werde wohl Stenografie und Maschinenschreiben lernen.“ Ich lächelte. „Dann kann ich einen Sekretärinnenposten bei dir bekommen, wenn du eine blühende Anwaltspraxis hast!“
    „Ich nehme das Angebot mit Dank an. Stell dir vor, wie du die Klienten anlocken wirst!“
    „Rechne nicht zu sehr damit. Ich werde im Büro nicht im Tangaslip auftreten.“
    „Du bist noch anziehender in dem Kleid, das du heute anhast“, sagte Torsten mit einem anerkennenden Blick auf mein blaues Alltagskleid mit dem weißen Krägelchen am Hals.
    Sein Blick verwirrte mich. Ich war froh, daß ich jetzt aufstehen, die Teller hinaustragen und den Apfelkuchen hereinholen konnte.
    „Du bist wirklich eine famose Wirtin, Vivi“, lachte Torsten.
    „Das ist ein kleines Wunder“, sagte ich, „denn ich habe gar keine Übung darin, Wirtin zu sein. Aber weißt du, oft habe ich schon Lust gehabt, eine größere Party zu geben, viele Gäste zu haben und es ihnen nett und gemütlich zu machen.“
    „Dann tue es doch“, sagte Torsten, als wäre das die natürlichste Sache der Welt.
    Sollte ich es tun? Ja, warum nicht? Gerade jetzt hatte ich ja die Wohnung allein. Es war Samstag, und Johannes sollte erst mit dem Nachtzug Dienstag morgen zurückkommen. Wenn ich nun einige Kollegen vom Theater für Montag abend einlud?
    Ich bekam Herzklopfen bei diesem Gedanken. Ich fing gleich an, mir auszumalen, was ich alles machen müßte und wie ich den Tisch decken würde.
    „Ja, wirklich, das werde ich tun, Torsten. Ich lade dich hiermit für Montag abend nach dem Theater ein. Und Elsa und Birger. Wen könnte ich denn noch einladen, was meinst du?“
    Wir machten Pläne für meine erste Party, ganz eifrig und wichtig. Als wir mit dem Essen fertig waren, wurden Torstens Augen plötzlich schwer. Er war müde.
    „Ich komme ja immer spät zu Bett“, sagte er entschuldigend, „und ich stehe so zeitig auf und arbeite den ganzen Vormittag hart, also – “
    „Leg dich doch aufs Sofa“, ermunterte ich ihn, holte Johannes’ Plaid und legte es über ihn.
    Dann machte ich mich an den Aufwasch und lächelte vor mich hin. Ach, wie gemütlich es war! Torsten zeigte sich von einer ganz neuen Seite: ruhig, vernünftig, alltäglich. Nichts vom albernen Theaterschwatz. Auch nichts von stürmischer Verliebtheit. Er hatte mich heute tatsächlich noch nicht geküßt, obwohl wir allein waren. Warum eigentlich?
    Er gab mir die Antwort darauf, als ich mit dem Kaffeetablett ins Zimmer trat. Er sprang auf, ein wenig zerzaust und schlaftrunken, und lächelte mich an.
    „Du vereinst zwei Menschen in dir, Vivi, zwei absolut verschiedene Menschen. Nicht zu glauben, daß diese anmutige Hausfrau hier das halbnackte Statistenmädel vom Theater ist.“
    „Was gefällt dir denn besser?“
    „Du gefällst mir, so wie du bist, wie du jetzt bist. Ich habe einen – einen neuen Respekt vor dir bekommen, Vivi.“
    „Ist es deshalb, daß du…“, ich schwieg und wurde brennend rot.
    „Ja, genau deshalb. Du hast es erraten. Deswegen habe ich dich nicht geküßt. Das kleine Mädel vom Theater kann ich küssen, weil es süß ist, und weil es reizend ist, es in den Armen zu halten – aber wenn ich das Mädel küßte, das du jetzt bist, da – da, ja siehst du, ein solches junges Mädchen küßt man nur, wenn man es ehrlich meint.“
    „Das gefällt mir an dir“, sagte ich.
    „Ich bin nicht so anständig, wie du glaubst“, wehrte Torsten ab. „Weißt du, was du tun solltest? Mir eine Ohrfeige geben.“
    „Könnte mir nicht einfallen.“
    „Aber du solltest.“
    „Warum?“
    „Weil ich nicht so anständig bin, wie du glaubst.“ Er sah mich an, und die Röte stieg in seine Wangen. „Ach, Unsinn, Vivi! Ich will lieber beichten. Weißt du, als du mich zum Essen batest und sagtest, dein Bruder sei nicht zu Hause, da dachte ich, also doch wieder die übliche Tour, was für ein Idiot muß ich sein, daß bei mir der Groschen so langsam fällt“, er konnte nicht weiter und sah mich hilflos an.
    Jetzt war ich an der Reihe, rot zu

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