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Mein grosser Bruder

Mein grosser Bruder

Titel: Mein grosser Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Schminke sah, wirkte sein Gesicht stark verlebt.
    Es war bekannt, daß er gewöhnlich verheiratete Frauen als Freundinnen hatte. „So ist es praktischer“, sagte Steffen Brede selbst lakonisch, „dann hat man keine Verantwortung.“
    Er war, kurz gesagt, abscheulich. Aber ein guter Schauspieler, das muß der Neid ihm lassen.
    In „Zwei in einem Kutter“ spielte er den raffinierten Intriganten ausgezeichnet.
    Er also wurde nicht eingeladen.
    Am Vormittag hörte ich im Radio, daß es auf der Bahn eine Störung gegeben hatte und die Nachtzüge eingestellt waren. Diese Nachricht erleichterte mich.
    Johannes konnte also erst am Abend kommen. Da hatte ich den ganzen nächsten Tag Zeit, das Haus wieder in Ordnung zu bringen.
    Vorsorglich machte ich die Familie, die unter uns wohnte, darauf aufmerksam, daß es bei uns an diesem Abend etwas unruhig zugehen würde. Aber die gute Frau strich mir über die Wange und sagte: „Liebes Kind, unterhaltet euch nur lustig, es ist wirklich so selten, daß wir einen Laut von oben hören. Wir werden uns Watte in die Ohren stecken, und dann schlafen wir schon.“
    Das Fest konnte also beginnen.
    Es wurde wundervoll.
    Torsten und ich, die wir früher als die anderen im Theater fertig waren, stürzten heim, um letzte Hand an die Vorbereitungen zu legen. Als die anderen sich endlich abgeschminkt hatten und kamen, stand Torsten in weißer Jacke da und mixte Cocktails, während ich gerade dabei war, Bierflaschen ins Zimmer zu holen. Kurz darauf hatten alle ihre Teller gefüllt und sich mit ihrer Beute an den unmöglichsten Stellen niedergelassen. Fensterbretter, Radioapparat, Bücherregal, alles wurde benutzt, um Gläser und Teller darauf abzusetzen – außer den kleinen Tischen im Wohnzimmer, da sie sich schnell als unzureichend erwiesen.
    Torsten und ich legten uns schließlich Kissen auf den Fußboden und machten es uns darauf bequem.
    Alle beteiligten sich an der fröhlich lebhaften Unterhaltung. Leere Gläser wurden schnell wieder gefüllt. Auf alle möglichen und unmöglichen Dinge wurde angestoßen. Zum Schluß brachte Birger einen schwungvollen Trinkspruch auf die Wirtin aus und dankte mir nochmals, weil ich damals die Lage gerettet hatte, als er zu spät kam. Es wurden lustige Frechheiten gesagt und herzlich gelacht. Kurz: die Stimmung war glänzend.
    An diesem Abend verwischten sich auch die Unterschiede zwischen Schauspielern und Statisten. Ich sah mit Vergnügen, wie Birger, der verhätschelte erste Liebhaber vom Theater, in einer lauschigen Ecke saß mit Nini, der kleinen Statistin, die ihn schon lange von ferne angebetet hatte.
    Dann räumten wir das Eßzimmer zum Tanzen aus. Jeder griff zu, und wir arbeiteten recht munter und geräuschvoll. Alles wurde in wirrem Durcheinander in der Küche gestapelt; die Eßzimmerstühle schleppten wir in Johannes’ Zimmer. Auf dem Küchentisch häuften sich malerisch Essensreste und gebrauchtes Geschirr. Geschirr in Bergen… Es wurde getanzt, es wurde geflirtet, und die Stunden flogen. Einige von uns hörten zu tanzen auf und ließen sich im Wohnzimmer nieder. Allmählich nahmen die Gespräche einen etwas ernsteren Charakter an.
    „Denke lieber hundertmal drüber nach, Nini“, sagte Birger. „Du mußt dir darüber klar sein, worauf du dich einläßt. Als Statistin dazustehen und zehn Kronen am Abend zu verdienen ohne irgendeine Verantwortung ist etwas ganz anderes, als im vollen Ernst eine Bühnenlaufbahn einzuschlagen. Denn dazu gehört Arbeit, Mädchen, und was für eine Arbeit! Sieh uns an – oder sieh mich an. (Das brauchte er allerdings Nini kaum zu bitten; ihre großen Kinderaugen hingen den ganzen Abend unverwandt an ihm.) – Ich war heute von elf Uhr bis beinahe sechzehn Uhr auf der Probe. Kam heim so müde im Gesicht, daß… Lache nicht! Meine Gesichtsmuskeln waren tatsächlich ganz müde, nicht wahr, Elsa, so ist es doch nach einer langen Probe?“
    Elsa nickte verständnisvoll.
    „Dann würgte ich das Mittagessen herunter, mußte die Rolle lernen, die ich durchaus noch nicht sicher konnte, und versuchte, mit gestelltem Wecker zu schlafen. Um halb sieben stürzte ich wieder fort, schminkte mich und hatte dann eine Rolle zu spielen, bei der man fast die ganze Zeit auf der Bühne steht. Dann wieder abschminken und – jetzt bin ich also hier. Das alles ist noch erträglich, solange man sich wohl fühlt. Aber denke nur an den Tag, an dem mir dieses Malheur passierte, und als Vivi eingriff. Ich kam damals zu spät, weil ich

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