Mein Herz in Deinen Händen
passiert?«
»Bei einem Kampf.«
»Einem Kampf. So wie zwischen zwei Kerlen, die was gegeneinander haben? Oder wie in einem Gefecht?«
»Beides. Ich hatte ein paar Männer dabei, man könnte es also ein Gefecht nennen. Aber ich hatte definitiv was gegen den anderen Kerl.«
»Und wie schwer ist deine Verletzung?«, fragte sie ein wenig kleinlaut.
»Ich wurde angeschossen. Ich habe einen Teil meiner Eingeweide eingebüßt.« Der Truck polterte spritzend durch einen Bach, der eisig vor Schnee und voller Schlamm war. »Ich hatte eine Bauchfellentzündung.«
Sie ballte die Faust gegen das Fenster. »Kommst du wieder in Ordnung?«
»Ich bin in Ordnung.« Er blieb am Rande des Hangs oberhalb der Salzlecke stehen, die unten auf einem Flachstück entlang des Flusses stand. Bäume krochen den Berg hinunter, und die Wildnis mischte sich mit dem Weideland.
»Wenn du wieder in Ordnung bist, warum musst du dann zum Arzt?«
»Du kennst doch die Armee. Die haben ihre Regeln. Das ist mein letzter Termin im Sechsmonatsrhythmus, danach muss ich nur noch einmal pro Jahr hin. Es ist eher eine Art Check-up.«
Endlich fragte sie: »Was hast du bei der Armee gemacht?«
»Das übliche Soldatenzeug.«
Sie zuckte zusammen, als er mit lautem Knarren die Handbremse anzog.
Soldatenzeug ? Was hatte das zu bedeuten? Sie wusste, er war in Übersee gewesen. Russell hatte es erwähnt. General Napier war auch in Übersee gewesen. Hatten sie einander getroffen? Hatte er unter ihr gedient? Würde er sich seinem kommandierenden Offizier gegenüber loyal verhalten, egal was Pepper ihm berichtete? Würde er sie ausliefern?
Der alte Dan wäre für sie gestorben. Der neue Dan beobachtete sie, taxierte sie, sah ihre Lust. Sie konnte den Finger nicht genau darauf legen, aber er hatte während der letzten Jahre irgendetwas eingebüßt: Freundlichkeit, Hoffnung, den Glauben an die Menschheit oder an Gott oder das Gute.
Er hatte sich verändert, und sie konnte sich nicht auf ihn verlassen. Pepper schüttelte den Kopf.
Alles hier draußen war so weitläufig. Lang und eng zog sich das Tal in die Ferne, das Vieh bestand nur aus Punkten in der Landschaft. Die Berge erhoben sich mächtig über sie und um sie herum, zerklüftet und pinienbewachsen. Über all das herrschte ein blauer Himmel, der so hell und klar strahlte, dass Pepper sich darunter nackt fühlte.
Wo konnte sie sich verstecken? Weder auf dem Weideland noch in den Bergen. Mit den technischen Mitteln, über die General Napier verfügte, würde man sie finden.
»Fällt dir irgendwas Ungewöhnliches auf?«, fragte Dan und zeigte auf ein Dutzend Rinder, die das frische Gras abweideten.
Sie erstarrte. Etwas Ungewöhnliches? Das war genau das, was sie fürchtete.
Aber er hörte sich ganz entspannt an, interessiert.
Dann sah sie, wie sie sich zwischen den schwerfälligen Stieren ihren Weg suchten: zwei ranke Hirschkühe mit ihren scheckigen Kitzen. Sie schritten auf die schmalen Salzblöcke zu, leckten anmutig und hoben gelegentlich den Kopf, um nach möglicher Gefahr zu wittern. Die Kitze tanzten mit in der Sonne glänzendem Fell herum. Ihre Freude war ansteckend, ihre Sprünge staksig und amüsant.
Pepper lachte unwillkürlich auf. Sie machte die Wagentür auf und stieg vorsichtig aus, um sie nicht zu erschrecken.
Dan tat es ihr auf seiner Seite gleich und ging um den Wagen herum. »Sie sind wegen des Salzes hier. Und zum Haus kommen sie wegen der Rosen.« Er zog eine Grimasse.
»Sie sind wunderschön«, flüsterte sie. Neben den schmutzigen Schneeresten an den schattigen Stellen, wo nie die Sonne hinkam, leuchtete wie zarter Nebel das junge Gras. Hie und da waren graue Felsbrocken liegen geblieben, wo das Schmelzwasser sie hingelegt hatte. Der Wind pfiff durch die Wipfel und ließ die Bäume knarren wie alte Männer, die nach einem langen Winter zu tanzen anfingen. Unten auf dem Fluss lag Sonnenlicht und verwandelte das Wasser in ein Band aus geschmolzenem Gold.
Während der Jahre, in denen sie fort gewesen war, hatte sie vergessen, wie der Raum, die Weite und die Einsamkeit zu ihrer Seele sprachen. Dieser Ort, diese lichtdurchflutete Komposition aus Farben und Strukturen, spiegelte die Ewigkeit wider, und sie war so voller Sorge gewesen, dass sie es nie mehr sehen könnte. Jetzt hörte sie es, sah es, und das Herz wurde ihr leicht.
Der Sturm hat uns verschont. Also schau auch nicht zum Himmel auf, ob da Wolken sind.
Wer hatte das gesagt? General Napier oder Mrs Dreiss? Pepper konnte
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