Mein Herz ruft deinen Namen
mir jemand eine Handvoll Konfetti ins Gesicht oder blies mir mit seiner Tröte ins Ohr. Ich stieß alle wütend weg, und als ich endlich die Haustür erreichte, drückte ich auf den Klingelknopf, als wollte ich ihn in der Mauer versenken.
Die winzige Wohnung lag im obersten Stock und ging auf einen Balkon voller kahler Pflanzen hinaus; dahinter sah man den Antennenwald und die Kirchtürme der römischen Altstadt.
Die Luft war beißend, es roch nach Katzenurin – im alles umhüllenden Halbdunkel sah ich ihre Augen funkeln, während ihre Schwänze träge von Regalen und Sofas schwangen.
Beim Eintreten begrüßte mich das Medium – Flora war ihr Name – mit einer herzlichen, unangebrachten Umarmung, in der ich noch mehr erstarrte. Flora war nicht mehr jung, sondern in jenem unbestimmten Alter, in dem die Frauen die Männer schon längst nicht mehr interessieren. Eher rundlich, nicht groß, aber mit einer beeindruckenden rabenschwarzen Mähne auf dem Kopf, empfing sie mich in einem wahrscheinlich von ihr selbst gehäkelten Schal, an den Füßen Pantoffeln, die jede Form und Farbe verloren hatten. Mehr als einem geheimnisvollen Wesen glich sie der Hausmeisterin einer nicht besonders vornehmen Wohnanlage.
Sie bat mich in eine Art kleines Wohnzimmer und nahm mir gegenüber in einem Sessel Platz. Zwischen uns stand ein rundes Tischchen und darauf eine matte Lampe, die unsere Gesichter beleuchtete.
»Du bist also Matteo«, wiederholte sie ein paarmal im ruhigen Tonfall einer alten Tante. »Matteo … Matteo …«
Ich spürte, dass eine gewisse Unruhe in mir aufkam – eine Unruhe, in die sich sehr viel Ärger mischte. Wie konnte ich nur, fragte ich mich, in so eine Falle tappen? Diese dämmrige Höhle war ein einziger Schwindel, und ich war darauf hereingefallen wie ein Huhn, das gerupft werden sollte. Jetzt gehe ich, sagte ich mir, bevor das Theater anfängt, bevor sie die Augen aufreißt und der Tisch zu wackeln beginnt, bevor sie mit der Stimme eines Menschenfressers zu sprechen beginnt, stehe ich auf, erkläre ihr höflich und bestimmt, dass mir nicht danach zumute ist, ihre Dienste in Anspruch zu nehmen, und verabschiede mich. Schon träumte ich von dem Glücksgefühl, mit dem ich die frische Luft des Treppenhauses einatmen würde, da griff sie mit ihren molligen, nach Zwiebeln riechenden Händen nach den meinen und fragte: »Du hast sie sehr geliebt, nicht wahr?«
Ich befreite mich aus ihrem Griff und erwiderte nach einer langen Pause: »So sehr, dass ich hierhergekommen bin.«
Ich glaube nicht, dass sie den Sarkasmus in meiner Antwort wahrnahm. Hinter der Tür kratzte und scharrte eine Katze mit leidenschaftlichem Ungestüm in ihrem Katzenklo.
»Du bist wie der ungläubige Thomas, stimmt’s?«, fing sie wieder an. »Du glaubst die Dinge erst, wenn du die Hand darauflegen kannst.«
»Ja.«
»Warum bist du dann hergekommen?«
»Um meiner Nachbarin einen Gefallen zu tun«, antwortete ich ohne den Versuch, meinen Unwillen zu verbergen.
Flora schüttelte langsam den Kopf, wie eine alte Tante bei der Lüge ihres kleinen Neffen. »Nein, du bist gekommen, weil du sie geliebt hast. Du hast deine Frau und dein Kind geliebt, und ohne sie fühlst du dich verloren.«
»Wem ginge es nicht so?«
»Und sag mal, welche Form, welche Farbe hat denn die Liebe, wenn du die Hand darauflegst? Kannst du sie packen, messen, in einen Umschlag oder eine Schublade stecken?«
»Nein, natürlich nicht. Aber trotzdem …«
»Trotzdem sehnst du dich danach, du weißt nicht, was sie ist, aber sie fehlt dir. Jetzt spürst du eine Leere in dir, eine große Leere, und weißt nicht, wie du sie füllen sollst. Bevor du dich verliebt hast, wusstest du vielleicht nicht, dass sie da war, aber jetzt weißt du es und kannst nicht mehr so leben wie vorher.«
Ich schwieg. Woher wusste sie bloß von dem hohlen Panzer mit dem Echo, den ich in mir trug?
»Die Liebe ist vor uns«, sagte das Medium leise und mit halb geschlossenen Augen, »die Liebe ist nach uns, die Liebe umgibt uns, doch nicht immer gelingt es uns, sie zu ergreifen, nicht immer haben wir die richtigen Antennen, um ihre Wellenlänge aufzufangen … und weißt du, warum?«
»Nein«, antwortete ich, und beim Klang meiner Stimme staunte ich, wie kindlich sie bebte.
»Nicht aus Bosheit – wirklich böse Menschen gibt es nur wenige –, sondern aus Zerstreutheit, weil man es nicht versteht hinzuhören, Vertrauen zu haben. Die Liebe lässt sich nicht messen, nicht
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