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Mein Herz ruft deinen Namen

Mein Herz ruft deinen Namen

Titel: Mein Herz ruft deinen Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Tamaro
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mochte ich auch nicht unhöflich sein. »Du kannst nur den ganzen Tag hier mit Pappmaschee herumspielen und gratis Kinderbetreuung machen, weil ich mich so lange im Krankenhaus abrackere, und du weißt nicht, wie oft ich da Ja sagen muss, auch wenn es mir gar nicht passt.«
    »Wirfst du mir irgendwas vor?«, fragtest du, plötzlich erstarrt.
    »Nein, ich sage bloß, wie es ist«, antwortete ich weniger heftig.
    »Und das fängt an, dich zu belasten?« In deinem Blick lag eine Strenge, die mich einschüchterte.
    »Nein, warum sagst du so etwas?«
    »Erinnerst du dich nicht an unsere Abmachung?«
    Selbstverständlich erinnerte ich mich daran, wir hatten sie im Auto getroffen, auf dem Weg zu unserer Hochzeit – du hattest ein Kirchlein auf den Hügeln im Hinterland ausgesucht, die Gäste füllten kaum die ersten Reihen.
    Als du von Heiraten sprachst, war ich, ehrlich gesagt, überhaupt nicht begeistert. »Wozu?«, fragte ich dich. »Reicht unser Gefühl nicht?« Es kam mir lächerlich vor, sich einer Zeremonie zu unterziehen, deren Sinn ich nicht verstand, doch du warst so schlau, eines Sonntags beim Mittagessen bei meinen Eltern darüber zu sprechen. Meine Mutter war sofort Feuer und Flamme, und auch mein Vater wirkte gar nicht abgeneigt. An diesem Punkt entglitt mir die Sache vollkommen und verwandelte sich in eine hinter meinem Rücken ausgehandelte Frauenintrige. Monatelang hatte das Ereignis unseren Müttern neuen Schwung verliehen – es herrschte ein reger Austausch von Telefonaten, Absprachen, Ratschlägen.
    Gewiss, meine Mutter hätte sich etwas Prunkvolleres gewünscht, etwas gesellschaftlich Bedeutenderes, doch zuletzt gab sie sich auch mit dem einsamen Kirchlein zufrieden. Alles war besser als das verabscheute Standesamt, das in jenen Jahren so groß in Mode war, oder, noch schlimmer, ein formloses Zusammenleben ohne Trauschein.
    Einige Tage vor der Hochzeit wurde ich von Skrupeln geplagt. »Ich komme mir unehrlich vor«, sagte ich zu dir, »ich tue diesen Schritt nur dir zuliebe, für den Familienfrieden, damit meine bigotte Mutter glücklich ist, aber ich bin nicht bigott, und …«
    »Ich bin auch nicht bigott!«, erwidertest du energisch, um dann kokett hinzuzufügen: »Wieso? Hast du schon eine, mit der du mich ersetzen willst?«
    »Wie kommst du denn darauf? Ich werde dich immer lieben! Nur … siehst du … ich habe halt kein gutes Verhältnis zu Gott.«
    »Wenn’s nur das ist, ich streite auch oft mit ihm.«
    »… ich glaube einfach nicht an ihn, und deswegen habe ich keine Lust auf so eine Posse.«
    Da griffst du nach meiner Hand und begannst wie eine Wahrsagerin, mit dem Finger meine Handlinien zu erkunden. »Nun … hm … mal sehen … aha … Hier sieht es aus, als würdest du nur eine einzige Frau im Leben lieben und …«
    »… und?«
    »Glaubst du wirklich an diese Liebe?«
    »Nora, du bist mein ganzes Leben!«, protestierte ich, indem ich dich umarmte. Daraufhin nähertest du deinen Mund meinem Ohr: »Dann glaubt Er vielleicht doch ein bisschen an dich.«
    Nachdem wir den Mercedes mit Chauffeur – der meiner Mutter so sehr am Herzen lag – abgelehnt hatten, fuhren wir mit meiner beigen Dyane zu der Kirche. Bevor wir aus dem Haus gingen – wir lebten schon einige Zeit zusammen –, zwangst du mich noch, die rote Fliege wieder abzunehmen, die ich voller Stolz angelegt hatte – vielleicht als unbewusstes Zeichen des Protests. »Du weißt doch, dass dein Vater diese Farbe hasst«, sagtest du. Und als ich wie ein Idiot leichtfertig antwortete: »Er sieht es ja sowieso nicht …«, durchbohrtest du mich mit einem Blick, an den ich mich noch heute erinnere.
    Auf der Landstraße warst du es, die das Schweigen im Auto brach. »Der Pfarrer wird alles Mögliche sagen, aber vorher musst du mir etwas versprechen.«
    »Was denn? Dass ich dir jeden Morgen den Kaffee ans Bett bringe?«
    »Ich mache keine Witze.«
    »Also?«
    »Versprich mir, dass wir uns nie etwas vorwerfen werden.«
    »Ist dir das so wichtig?«
    »Ja, sehr.«
    Daraufhin hob ich die Hand vom Lenkrad und sagte feierlich: »Ich verspreche es!«
    Schließlich erreichten wir die Kirche. Mein Vater erwartete dich an der Tür. Da dein Vater fehlte, wollte er dich zum Altar geleiten, und er tat es ohne Stock, ging aufrecht und sicher, als sähe er jeden Zentimeter vor sich. Von allem, was der Pfarrer sagte, hörte ich kein einziges Wort. In der ersten Reihe, direkt hinter mir, saß meine Mutter, und alles, was ich vernahm,

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