Mein Herz schlägt immer noch für dich (German Edition)
dass es Jack einen Stich versetzte. Eine Weile kramte sie in ihrer Reisetasche, dann streckte sie sich auf dem Sofa aus und zog die Decke bis ans Kinn hoch.
Jack lag flach auf dem Rücken in Josies Liegesessel und starrte in die Dunkelheit. Plötzlich war er überhaupt nicht mehr müde.
Und Callie war anscheinend genauso unruhig wie er. Eine ganze Weile ging es hin und her: Sie drehte sich auf den Bauch, er drehte sich auf die Seite. Sie stopfte ihr Kissen zurecht, er versuchte, seine Knie in eine bequeme Lage zu bringen. Sie kratzte sich seufzend an der Schulter, er warf die Decke über seine Füße und seufzte ebenfalls.
Er setzte sich auf. Sie tat dasselbe.
„Kannst du auch nicht schlafen?“, fragte er.
„Nein.“
Nach kurzem Zögern sagte er: „Komm mit.“
Er stand auf, nahm die Decke und ging hinaus auf den Balkon. Callie folgte ihm. Und dann saßen sie Seite an Seite, die Decke über den Schultern, und sagten lange Zeit gar nichts.
Die Nachtluft war kühl, und Callie war froh, dass Jack die Decke mitgenommen hatte. Von Josies Balkon aus konnte man viel vom Himmel sehen, der wie dunkelblauer Samt wirkte. In dieser sternenklaren Nacht war es kaum mehr vorstellbar, dass es noch vor zwei Monaten so geregnet hatte, dass der Fluss über die Ufer getreten war und mit einem Schlag das Leben so vieler Menschen aus seiner gewohnten Bahn gerissen hatte.
Auch Callies Leben war durcheinandergeraten. Wenn sie erst in Denver wäre, würde der normale Alltag sie sicher bald einholen. Im Augenblick mochte sie jedoch gar nicht daran denken. Sie fragte sich, ob sie die große Entfernung zu ihren Schwestern je wieder einfach so hinnehmen könnte.
Außerdem würde es ihr schwerfallen, die glücklichen Momente mit Jack einfach zu vergessen. Sie verstand selbst nicht mehr, wie sie noch vor einer Woche beschließen konnte, ihn zu meiden und auch Luke von ihm fernzuhalten. Plötzlich kam es ihr ganz natürlich vor, mitten in der Nacht neben ihm unter einer Decke zu sitzen und in den Sternenhimmel zu blicken. Und Luke schlief im Zimmer nebenan, als müsste es so sein.
Jack stupste Callie leicht gegen die Schulter. „Sieh mal die drei großen Sterne dort.“ Er deutete nach Westen.
Jetzt konnte Callie mit ihrem akademischen Wissen aufwarten, bevor es zu romantisch wurde. „Das sind Planeten. Merkur ist der dicht über dem Horizont, Mars ist der orangefarbene. Der dritte ist Saturn.“
Wieder schwiegen sie.
„Callie?“
Sein sanfter Ton hörte sich gefährlich an. Sie schwieg.
„Sieh mich an.“
Diese einfache Bitte konnte sie ihm schlecht abschlagen – obwohl sie wusste, was dann passieren würde. Trotz der Dunkelheit konnte sie seine Augen funkeln sehen, und sie bemerkte, wie es sie heiß durchströmte. Schnell blickte sie weg, aber ihr ganzer Körper reagierte bereits nach diesem kurzen Moment. Sie spürte, wie sich der Stoff ihres Baumwollhemds erregend an ihre Brustspitzen schmiegte, und in ihrem Bauch kribbelte es vor sehnsüchtiger Erwartung.
„Weißt du“, sagte Jack heiser, „du brauchst mich nicht mit deinem Wissen zu beeindrucken. Ich weiß auch so, dass du eine kluge Frau bist. Entspann dich einfach.“
„Ich bin entspannt“, entgegnete sie, auch wenn das nicht ganz stimmte.
„Deine Mutter hat das genauso gemacht“, meinte Jack.
„Was denn?“
„Sie hat eine Diskussion ausgelöst und ihre Gefühle dahinter versteckt. Immer wenn sie wegen irgendetwas beunruhigt gewesen ist, hat sie angefangen, über die jüngsten politischen Ereignisse zu reden.“
Wirklich? Callie hatte ihre Mutter immer für einen durch und durch beherrschten Vernunftmenschen gehalten, der gar keine Gefühle kannte. „Bist du sicher?“
„Oh ja.“
Callie glaubte ihm, denn sie vertraute seiner Menschenkenntnis. „Mom hat es nicht leicht gehabt. Mit sechzehn hat sie ihre Eltern verloren und dann viel zu jung geheiratet. Als Dad uns verlassen hat, musste sie uns alleine großziehen. Bestimmt ist sie sehr einsam gewesen.“
„Bestimmt.“
„Ich kann mich kaum an Dad erinnern“, sagte Callie und dachte an den großen, stillen Mann, der sie einmal auf einen Rummelplatz mitgenommen hatte. „Ich weiß nur noch, dass sie ständig an ihm herumgenörgelt hat. Als er gegangen ist, hat sich ihre Wut gegen alle Männer gerichtet.“
„Das ist dir also klar gewesen?“
„Sicher. Ich glaube schon, dass ich sie so gesehen habe, wie sie war: eine clevere, äußerst starrköpfige Frau, die eine gute Freundin gebraucht
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