Mein Herz so weiß
sich die Mühe gemacht, die Kisten auszupacken, die auf mich warteten, und meine Bücher einzuräumen, so wie er es immer mit seinen gehalten hatte, nach Sprachen geordnet und nicht nach Sachgebieten und innerhalb der Sprachen chronologisch nach dem Geburtsdatum der Autoren. Als Hochzeitsgeschenk hatte er uns etwas Geld gegeben (ziemlich viel, er war großzügig), aber kurz danach, in meiner Abwesenheit, beschenkte er uns mit zwei wertvollen Bildern, die immer bei ihm in der Wohnung gehangen hatten (ein kleiner Martín Rico und ein noch kleinerer Boudin), und so kamen sie in meine, Venedig und Trouville, beide wunderschön, und doch hätte ich es vorgezogen, sie weiterhin dort zu sehen, wo sie jahrelang gehangen hatten, und nicht im Wohnzimmer meiner Wohnung, das nun mit Venedig und Trouville, wenn auch in kleinem Maßstab (das Trockendock von San Trovaso und der Strand), unfehlbar meiner jugendlichen Erinnerung an das Wohnzimmer seiner Wohnung glich. Auch ein Schaukelstuhl traf ohne mein vorheriges Wissen ein, ein Möbelstück, das meine kubanische Großmutter, seine Schwiegermutter, viel benutzt hatte, als sie uns in meiner Kindheit besuchen kam, und das mein Vater sich nach ihrem Tod angeeignet hatte, nicht so sehr, um allein in diesem Stuhl zu schaukeln, sondern um originelle Posen in ihm einzunehmen, wenn er, was oft geschah, Ehepaare und Freunde zu sich einlud.
Nicht so sehr, um zu schaukeln. Nicht so sehr, um allein zu schaukeln, wenn denn jemand weiß, was ein anderer tut, wenn er alleine ist. Aber mein Vater hätte nie geschaukelt, im Gegenteil, er hätte diese Bewegung als eine Art private Kapitulation betrachtet, als eine Bestätigung dessen, was er stets vermeiden wollte oder vielmehr vermeiden konnte, nämlich alt zu sein. Ranz, mein Vater, ist fünfunddreißig Jahre älter als ich, aber er ist nie alt gewesen, nicht einmal jetzt. Ein ganzes Leben lang hat er diesen Zustand hinausgeschoben, ihn für später aufgehoben oder ihn einfach nicht beachtet, und obwohl man wenig gegen die Veränderung des Aussehens und des Blickes tun kann (vielleicht etwas mehr gegen Erstere), ist er jemand, an dessen Haltung oder Geist ich nie die Spur der Jahre gesehen habe, nie die geringste Veränderung, nie traten bei ihm die steife Würde und die Müdigkeit zutage, wie sie sich bei meiner Mutter zeigten in dem Maße, wie ich heranwuchs, noch verlosch der Glanz seiner Augen, den die gelegentliche Brille der Kurzsichtigkeit plötzlich aus ihrem Blick getilgt hatte, noch wirkte er verwundbar durch die Niederlagen und Demütigungen, welche die Existenz aller Menschen prägen, noch vernachlässigte er auch nur einen Tag in seinem ganzen Leben seine Kleidung, immer tadellos schon am Morgen, wie für eine Feierlichkeit, auch wenn er nicht ausgehen und niemand ihn besuchen kommen würde. Immer hat er nach Kölnisch Wasser und nach Tabak und nach Pfefferminz gerochen, manchmal ein wenig nach Likör und nach Leder, als käme er aus den Kolonien. Vor fast einem Jahr, als Luisa und ich heirateten, bot er das Bild eines älteren, eitlen und heiteren, mit seiner Jugendlichkeit zufriedenen, von spöttischem, unechtem Leichtsinn erfüllten Mannes. Seit ich denken kann, hat er den Mantel immer umgelegt getragen, ohne je in die Ärmel zu schlüpfen, halb, um der Kälte zu trotzen, halb aus festem Glauben an ein Kompendium äußerer Merkmale, deren Befolgung einen eleganten oder zumindest lässigen Mann ergeben würde. Vor einem Jahr hatte er noch fast sein ganzes Haar, weiß und dicht und äußerst sorgfältig gekämmt, mit rechtsseitigem Scheitel (ein sehr deutlicher Scheitel, wie bei einem Kind), das er nicht gelblich werden ließ, ein wattiger oder polarer Kopf, der sehr aufrecht aus perfekt gebügelten Hemden und Krawatten mit lebhaften, gefällig kombinierten Farben herausragte. Alles an ihm ist immer gefällig gewesen, von seinem oberflächlich leidenschaftlichen Charakter bis hin zu seinen maßvoll ungezwungenen Manieren, von seinem lebhaften Blick (als amüsierte ihn alles oder als sähe er an allem die komische Seite) bis hin zu seinen ständigen leutseligen Scherzen, ein Mann voll Ungestüm und Spott. Er hatte nicht ganz vollkommene Gesichtszüge, und doch galt er immer als ein gut aussehender Mann, dem es gefiel, den Frauen zu gefallen, aber vielleicht gab er sich damit zufrieden, dass dies nur auf Entfernung geschah. Wer ihn vor fast einem Jahr gekannt hätte (und Luisa hatte ihn kurz zuvor kennengelernt), hätte ihn gewiss
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