Mein Herz so weiß
denen die anderen Leute, die sie sehen, die uns sehen, nichts wissen werden. Ich glaube, ich will auch nicht von
uns
sprechen, sagen,
wir haben ein Klavier gekauft
oder
wir werden ein Klavier kaufen
oder
wir werden ein Kind haben
oder
wir haben eine Katze
. Es kann sein, dass wir Kinder haben werden, und ich weiß nicht, ob ich will, wenn ich mich auch nicht widersetzen würde. Hingegen weiß ich, dass mich interessiert, sie schlafen zu sehen, ihr Gesicht zu sehen, wenn es ohne Bewusstsein oder in lethargischem Zustand ist, ihren sanften oder harten, gequälten oder friedlichen, kindlichen oder gealterten Ausdruck zu kennen, während sie an nichts denkt oder nicht weiß, dass sie denkt, während sie nicht handelt, während sie sich nicht in einstudierter Weise verhält, wie wir alle es mehr oder minder vor irgendeinem Zeugen tun, auch wenn der Zeuge uns nichts bedeutet und unser eigener Vater oder unsere Frau oder unser Ehemann ist. Ich habe sie schon einige Nächte schlafen gesehen, aber nicht genug, um sie in ihrem Schlaf wiederzuerkennen, in dem wir zuweilen endlich aufhören, uns selbst zu gleichen. Sicher ist das der Grund, warum ich morgen heirate, das Tag für Tag ist der Grund, auch weil es logisch ist und weil ich es nie getan habe, die entscheidendsten Dinge tut man aus Logik und um sie auszuprobieren, oder, was das Gleiche ist, weil sie unausweichlich sind. Die Schritte, die man eines Abends aufs Geratewohl und folgenlos macht, führen mit der Zeit oder der abstrakten Zukunft schließlich zu einer unausweichlichen Situation, und angesichts dieser Situation fragen wir uns bisweilen voll ungläubigem Staunen: ›Und wenn ich diese Bar nun nicht betreten hätte? Und wenn ich nun nicht zu diesem Fest gegangen wäre? Und wenn ich mich nun nicht an einem Dienstag am Telefon gemeldet hätte? Und wenn ich nun nicht die Arbeit an jenem Montag angenommen hätte?‹ Wir fragen uns das naiv und glauben einen Augenblick lang (aber nur einen Augenblick), dass wir in diesem Fall Luisa nicht kennengelernt hätten und nicht vor einer unausweichlichen und logischen Situation stünden, von der wir eben deshalb nicht mehr wissen können, ob wir sie wollen oder ob sie uns erschreckt, wir können nicht wissen, ob wir das wollen, von dem wir bis heute glaubten, dass wir es wollten. Aber immer kennen wir Luisa, es ist naiv, sich so etwas zu fragen, weil alles so ist, geboren werden hängt von einer zufälligen Bewegung ab, von einem Satz, der von einem Unbekannten am anderen Ende der Welt ausgesprochen wird, von einer gedeuteten Gebärde, einer Hand auf der Schulter und einem Flüstern, das nicht hätte geflüstert werden können. Jeder getane Schritt und jedes gesagte Wort irgendeines Menschen in irgendeiner Situation (aus Unschlüssigkeit oder Entschiedenheit, in ehrlicher oder betrügerischer Absicht) haben unvorstellbare Auswirkungen, die jemanden treffen, der uns weder kennt noch kennen will, jemanden, der ungeboren ist oder nicht weiß, dass er möglicherweise unter uns leiden wird, und verwandeln sich buchstäblich in eine Frage von Leben und Tod, so viele Leben und Tode haben ihren rätselhaften Ursprung in etwas, das niemand gewahrt und an das sich niemand erinnert, in dem Bier, das wir zu trinken beschlossen, nachdem wir gezweifelt hatten, ob die Zeit uns reichen würde, in der guten Laune, aus der heraus wir uns liebenswürdig zeigten gegenüber der Person, die man uns gerade vorgestellt hatte, ohne zu wissen, dass sie soeben jemanden angeschrien oder verletzt hatte, in der Torte, die wir auf dem Weg zu einem Mittagessen bei unseren Eltern kaufen wollten und schließlich doch nicht kauften, in dem Drang, einer Stimme zuzuhören, obwohl uns nicht viel an dem liegt, was sie sagt, in dem riskanten Anruf, den wir aus diesem Grund machten, in unserem Wunsch, zu Hause zu bleiben, den wir nicht erfüllten. Hinausgehen und sprechen und handeln, sich bewegen, sehen und hören und wahrgenommen werden setzt uns ständiger Gefahr aus, nicht einmal sich einschließen und schweigen und still verharren rettet vor den Folgen daraus, vor den logischen und unausweichlichen Situationen, vor dem, was heute unmittelbar bevorsteht und so unerwartet war vor nun bald einem Jahr oder vor vier oder zehn oder hundert Jahren oder sogar noch gestern. Ich denke, dass ich morgen Luisa heiraten werde, aber es ist fünf Uhr, und es ist schon heute, dass ich heirate. Die Nacht gehört nach unserem Empfinden zum vorherigen Tag, aber nicht auf den Uhren,
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