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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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seiner Brust, die uns fast berührt und uns am Ende immer berührt, und bisweilen legt uns dieser Jemand sogar eine Hand auf die Schulter, mit der er uns besänftigt und auch uns hält. So schlafen oder glauben die meisten Ehepaare und Paare zu schlafen, beide drehen sich auf die gleiche Seite, wenn sie sich verabschieden, so dass einer dem anderen im Laufe der ganzen Nacht den Rücken zukehrt und sich von ihm oder ihr, von jenem anderen, geschützt weiß, und wenn er mitten in der Nacht aufwacht, aus einem Albtraum aufschreckend, oder nicht in den Schlaf finden kann, da er Fieber hat oder sich im Dunkeln allein und verlassen glaubt, dann braucht er sich nur umzudrehen und das Gesicht dessen vor sich zu sehen, der ihn beschützt, der sich überall dort küssen lassen wird, wo das Gesicht küssbar ist (Nase, Augen und Mund; Kinn, Stirn und Wangen, es ist das ganze Gesicht), oder ihm vielleicht im Halbschlaf eine Hand auf die Schulter legen wird, um ihn zu besänftigen oder um ihn zu halten oder womöglich, um sich festzuhalten.

J etzt weiß ich, dass das Shakespeare-Zitat aus
Macbeth
stammte und dass dieser Vergleich aus dem Mund seiner Gemahlin kommt, kurz nachdem Macbeth König Duncan im Schlaf umgebracht hat. Er gehört zu den verstreuten Argumenten oder vielmehr einzelnen Sätzen, die Lady Macbeth fallen lässt, um herunterzuspielen, was ihr Gemahl getan hat oder gerade getan hat und was nunmehr unwiderruflich ist, und unter anderem sagt sie zu ihm, er solle nicht
»so brainsickly of things«
denken, was schwer zu übersetzen ist, denn das Wort
»brain«
bedeutet »Gehirn« und das Wort
»sickly«
heißt »krankhaft« oder »krank«, obwohl es hier ein Adverb ist; sie sagt ihm also wörtlich, er solle an die Dinge nicht so hirnkrank oder so krankhaft mit dem Gehirn denken, ich weiß nicht genau, wie ich es in meiner Sprache wiedergeben soll, zum Glück waren es nicht diese Worte, welche die Engländerin bei jener Gelegenheit zitierte. Jetzt, da ich weiß, dass dieses Zitat aus
Macbeth
stammt, kann ich nicht umhin zu erkennen (oder vielleicht ist es Erinnern), dass auch der hinter uns steht, der uns anstiftet, auch dieser flüstert uns ins Ohr, vielleicht ohne dass wir ihn sehen, die Sprache ist seine Waffe und ist sein Werkzeug, die Sprache als Regentropfen, der nach dem Wolkenbruch aus der Regenrinne fällt, immer auf dieselbe Stelle, wo die Erde allmählich nachgibt, bis sie durchlässig wird und eine Öffnung und vielleicht ein Kanal entsteht, nicht wie der Tropfen aus dem Wasserhahn, der im Abfluss verschwindet, ohne eine Spur im Becken zu hinterlassen, und auch nicht wie der Blutstropfen, der sofort gestillt wird mit dem, was zur Hand ist, einem Stück Stoff oder einem Verband oder einem Handtuch oder zuweilen Wasser, oder zur Hand ist nur die eigene Hand dessen, der Blut verliert, wenn er noch bei Bewusstsein ist und sich nicht selbst verletzt hat, die Hand, die an seinen Magen oder an seine Brust greift, um die Öffnung zuzuhalten. Die Zunge im Ohr ist auch der Kuss, der den, der sich nicht gern küssen lässt, am meisten überzeugt, bisweilen sind es nicht die Augen noch die Finger noch Lippen, die den Widerstand überwinden, sondern nur die Zunge, die erkundet und entwaffnet, die flüstert und küsst, die beinahe Zwang ausübt. Zuhören ist das gefährlichste, ist wissen, ist informiert und auf dem Laufenden sein, die Ohren haben keine Lider, die sich instinktiv vor dem Ausgesprochenen schließen können, sie können sich nicht hüten vor dem, von dem man ahnt, dass man es zu hören bekommen wird, immer ist es zu spät. Nicht nur, dass Lady Macbeth ihren Gemahl anstiftet, sie weiß vor allem ab dem Augenblick nach dem Mord, dass ein Mord begangen wurde, sie hat von den Lippen ihres Mannes gehört
»I have done the deed«
, als er zurückgekommen ist, »Ich habe die Tat getan« oder »Ich habe die Handlung vollzogen«, obwohl das Wort
»deed«
heutzutage eher als »Heldentat« verstanden wird. Sie hört das Geständnis dieser Handlung oder Tat oder Heldentat, und was sie zur wahren Komplizin macht, ist nicht, dass sie zu ihr angestiftet hat, nicht einmal, dass sie vorher den Schauplatz vorbereitet oder danach mitgewirkt hat, dass sie den frischen Leichnam und den Ort des Verbrechens aufgesucht hat, um die Diener als Schuldige erscheinen zu lassen, sondern dass sie von dieser Handlung und von ihrem Vollzug weiß. Deshalb will sie ihre Bedeutung herunterspielen, vielleicht nicht so sehr, um den entsetzten

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