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Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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Schreib ihm noch mal, vielleicht antwortet er, auch wenn du ihm nicht schickst, was er von dir verlangt.«
    »Ich will nicht noch mehr Zeit verlieren. Wirst du mir helfen oder nicht?«
    Ihr Ton hatte jetzt nichts Leichtes, er war befehlend, oder beinahe. Ich schaute auf den Bildschirm. Ich sagte:
    »Ich würde es lieber nicht tun.«
    Sie schaute ebenfalls. Sie sagte:
    »Ich habe niemanden sonst, den ich darum bitten könnte.«
    Dann schwieg sie den ganzen Abend lang, aber nicht in meiner Gesellschaft, sondern zwischen der Küche und ihrem Schlafzimmer. Wenn sie vorbeiging, roch sie nach Trussardi.
    Aber während des Wochenendes waren wir, wie immer, mehr zu Hause zusammen (es war das sechste meines Aufenthalts, der Augenblick meiner Rückkehr nach Madrid, in meine neue Wohnung zu Luisa, rückte näher, ich sprach zweimal die Woche mit ihr, immer über nichts, wie eilige und leicht verliebte und außerdem interkontinentale Unterhaltungen sind), und am Sonnabend drang Berta erneut in mich. »Ich muss dieses Video machen«, sagte sie, »du musst mir helfen.« An jenen letzten Tagen hatte sie ein wenig stärker gehinkt als sonst, als wollte sie unbewusst mein Mitleid erregen. Es war absurd. Ich antwortete nicht, und sie fuhr fort: »Ich kann niemand sonst darum bitten. Ich habe überlegt, der einzige Mensch, zu dem ich Vertrauen hätte, ist Julia, aber sie weiß nichts von der ganzen Sache, sie weiß von der Agentur und dass ich auf
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schreibe und dass ich ab und zu mit jemandem ausgehe, mit dem sich nie was ergibt, aber sie weiß nicht einmal, dass ich Videos schicke und bekomme oder dass ich mit jemandem ins Bett gehe. Sie weiß nichts von Sichtbarer Arena, du dagegen hast von Anfang an alles mitbekommen, du hast sogar sein Gesicht gesehen, zwing mich jetzt nicht, das alles jemand anderem zu erzählen, die Leute reden am Ende immer. Ich würde mich schämen, wenn die Kollegen es wüssten. Du musst mir helfen.« Sie machte eine Pause und zögerte, ob sie sagen sollte, was sie schließlich sagte (der Wille immer langsamer als die Zunge): »Schließlich und endlich hast du mich nackt gesehen, das ist noch ein Vorteil.«
    ›Jede Beziehung zwischen Menschen ist immer eine Ansammlung von Problemen, Kämpfen, auch von Kränkungen und Demütigungen‹, dachte ich. ›Jeder zwingt jeden‹, dachte ich. ›Dieses Individuum Bill hat Berta bereits gezwungen, und Berta versucht, mich zu zwingen, Bill hat gekämpft, er hat sie auch gekränkt, und er hat sie vor dem Kennenlernen bereits gedemütigt, vielleicht macht sie es sich nicht klar oder es ist ihr im Grunde egal, sie hat sich darin eingerichtet, Berta kämpft mit mir, um mich zu überreden, wie Miriam mit Guillermo, damit er sie heiratet, und vielleicht Guillermo mit seiner spanischen Frau, damit sie endlich stirbt, er kämpft für ihren Tod. Ich habe mit Luisa gekämpft und sie gezwungen oder Luisa mich, es ist nicht klar, gegen wen mochte mein Vater kämpfen oder wer mochte ihn kränken oder zwingen, oder wie kam es, dass es in seinem Leben zwei Tode gibt, vielleicht hat er für einen gekämpft, ich will es nicht wissen, die Welt ist harmlos, wenn man nicht weiß, es wäre nicht besser, wenn wir alle still wären. Aber auch wenn wir still sind, gibt es Probleme und Kämpfe und Demütigungen und Kränkungen und auch Zwänge, bisweilen zwingen wir uns selbst, Pflichtgefühl heißt das, vielleicht besteht meine Pflicht darin, Berta bei dem zu helfen, worum sie mich bittet, man muss dem Bedeutung geben, was für die Freunde bedeutend ist, wenn ich mich weigere, ihr zu helfen, werde ich sie kränken und demütigen, jede Weigerung ist immer eine Kränkung und ein Kampf, und es stimmt, dass ich sie nackt gesehen habe, aber das war vor langer Zeit, ich weiß es, aber ich erinnere mich nicht daran, es sind fünfzehn Jahre vergangen, und sie ist älter und hinkt, sie war jung damals und hatte keine Unfälle erlitten, und ihre Beine waren gleich, weshalb musste sie bloß darauf zurückkommen, niemals haben wir unsere so minimale Vergangenheit erwähnt, minimal an sich und angesichts der so langen Gegenwart, auch ich war jung, das ist geschehen und gleichzeitig nicht geschehen, wie alles, warum handeln oder nicht handeln, warum ja oder nein sagen, warum sich Mühe geben mit einem vielleicht oder womöglich, warum sprechen, warum schweigen, warum sich weigern, warum etwas wissen, wenn nichts von dem, was geschieht, geschieht, weil nichts ununterbrochen geschieht, nichts dauert

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