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Mein Herz springt (German Edition)

Mein Herz springt (German Edition)

Titel: Mein Herz springt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Bauer
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– sehen. Matthias hätte einen Autounfall gehabt, den er unbeschadet überstanden habe. Matthias tue alles sehr leid. Matthias wolle die Scheidung.
    »Matthias will die Scheidung.« Als ich diese nüchternen Worte aus dem Mund meiner Tochter hörte, versteifte ich innerlich. Nicht weil ich nicht damit rechnete. Nein, weil mir in diesem Moment, durch diese dumpfe, fast leblose Stimme bewusst wurde, wie dringend Frieda Hilfe brauchte.
    Ich konnte mich nicht aus der Verantwortung ziehen. Tagelang grübelte ich darüber nach, was ich tun könnte. Wie ich meine Tochter von dieser seit mehreren Wochen anhaltenden Verzweiflung befreien könnte. War es nicht meine Pflicht, Matthias zur Vernunft zu bringen? War das nicht das Signal, auf das Frieda wartete? Sie selbst hatte nicht die Kraft dazu. Als ich sie einmal fragte, ob sie Matthias nicht bitten möchte, zu ihr und den Kindern zurückzukommen, antwortete sie mit einem fast ignoranten Kopfschütteln: »Nein, das wird nichts bringen. Matthias wäre den Schritt nicht gegangen, wenn er nicht voll davon überzeugt gewesen wäre. Und ein zweites ›Nein‹ kann ich nicht ertragen.«
    Ich fragte mich, wo Friedas Selbstbewusstsein und ihre Lebensfreunde seit der Geburt der Zwillinge geblieben wären. Wie ein Spinnennetz schien sie die familiäre Situation gefangen zu halten. Und die Kraft, sich aus diesem Netz zu befreien, ließ mehr und mehr nach. Bis schließlich nichts mehr davon übrig war. Mit der fast logischen Konsequenz: Matthias entschied sich für ein anderes Leben. Ich erwischte mich bei dem Gedankenspiel, ob Frieda nicht selbst Schuld an dem Ende ihrer Ehe hatte. Und obwohl ich mich im gleichen Atemzug dafür schämte, wusste ich, dass Friedas Lebensenergie nur aus ihrem Inneren heraus wieder reaktiviert werden könnte. Mit Matthias hatte das an dieser Stelle nichts zu tun. Die Überlegung, Matthias zur Raison zu rufen, konnte ich damit für mich ad acta legen. Ich war erleichtert.
    Aber wie konnte Frieda diese Lebenslust und Lebendigkeit, die sie bis in das Erwachsenenalter so bedingungslos ausstrahlte,zurückgewinnen? Ich hatte keine Ahnung. Und als ich mir wieder einmal meinen Kopf darüber zerbrach, wie ich meine verzweifelte Tochter möglichst schnell wieder aufmuntern könnte, klingelte das Telefon. Ich hörte Friedas Stimme am Apparat: »Mama, hast du Lust, mit mir und den Kindern für ein paar Tage nach Domburg zu fahren? Ich muss einmal raus aus dem Alltagstrott. Ich brauche Abstand und eine gute Freundin an meiner Seite.«

Kapitel IV
    Als ich an meinem ersten Arbeitstag nach Wien die schwere Tür der Klinik öffne, bin ich nervös wie selten zuvor. Hat mir Hanno eine Nachricht geschrieben? Kam er überhaupt auf die Idee, meine Adresse im Ärzteverzeichnis des Krankenhauses zu recherchieren? Hat er bei all dem Stress in Montreal überhaupt an mich gedacht? Hatte er die Zeit dazu? Hatte Wien für ihn die gleiche Bedeutung wie für mich?
    Ich spule das morgendliche Patientenprogramm wie in Trance ab. Jede Sekunde, jeder Gedanke gilt meinem Posteingang. Ich kann es kaum erwarten, meine Patientenakten für ein paar Minuten zur Seite zu legen und einen Abstecher ins Ärztezimmer zu machen. Bei der Visite danke ich unterbewusst jedem Patienten für die komplikationsfreie Nachthistorie. Schwierige Krankheitsverläufe beziehungsweise Patientengespräche hätten mich nicht nur unnötig aufgehalten, sondern mich in meinem emotional leicht labilen Zustand komplett aus der Bahn geworfen. Mehr als ein wortloses »Danke«, ausgedrückt durch ein aufmunterndes Lächeln zur Verabschiedung, kann ich nicht aufbringen. Das muss heute Morgen reichen. Und vor allem muss es weitergehen. Zum nächsten Patienten, und danach direkt in den Raum der Station, zu dem ich mich seit meiner Ankunft aus Wien magnetisch hingezogen fühle.
    Und endlich ist es soweit. Die letzte Herzinsuffizienz ist verarztet. Und ich bin nicht mehr zurückzuhalten. Durch nichts und niemanden. Ich gehe schnurstracks, voller Erwartung und voller Hoffnung auf das Ärztezimmer zu. Ich öffne mit zittrigen Händen mein E-Mail-Postfach und – was sehe ich da?Eine Nachricht von Hanno. Betreff: Punkt, Punkt, Punkt. Mir fallen tonnenweise Steine vom Herzen. Er hat an mich gedacht. Das ist mein erster Gedanke. Gefolgt von der Frage, was mich in wenigen Sekunden erwarten würde. Meine Freude weicht Angst. Angst vor einer maßlosen Enttäuschung. In mir hatte sich über die Tage in Wien und noch viel mehr die Tage

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