Mein Herz springt (German Edition)
danach ein Vulkan an Emotionen aufgebaut. Nur ein kleiner Funke könnte ihn zum Explodieren bringen. Nur ein kleiner Wassertropfen könnte ihn erlöschen.
Ich reiße mich zusammen, atme tief durch und klicke auf Hannos Nachricht:
»Liebe Betty, ich wünschte mir die letzten Tage nichts mehr, als Dir zumindest durch das Schreiben dieser E-Mail nahe zu sein. Ich habe unsere gemeinsame Zeit in Wien unheimlich genossen. Viel zu sehr, um ehrlich zu sein. Ich spürte plötzlich Gefühle in mir, die ich schon gar nicht mehr zu empfinden imstande zu sein glaubte. Ich war außer Kontrolle. Alles war möglich. Ich wollte nur noch Dich. Und auch wenn es ›besser‹ war, dass wir uns nach der Weinbar verabschiedet haben, habe ich mir in meinen Gedanken tausend Mal ausgemalt, wie schön es gewesen wäre, wenn wir … Du weißt, was ich meine. Deine strahlenden Augen, Deine sanfte Berührung, der Duft Deiner Haare, das alles ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Du bist eine tolle Frau, wie ich sie selten zuvor getroffen habe.
Und doch weiß ich, dass wir nicht mehr 20 sind. Wir haben uns ein Leben aufgebaut, das wir beide nicht riskieren dürfen. Zu groß ist die Gefahr, dass wir etwas verlieren, was uns so unsagbar wichtig ist. Glaube mir, zu gerne würde ich die Zeit zurückstellen und mit Dir auf ein gemeinsames Leben blicken. Aber die Realität ist eine andere. Leider. Mir kommen fast Tränen in die Augen, wenn ich Dir dies schreibe. Du bistmir gerade wieder sehr nah. Trotzdem müssen wir getrennte Wege gehen. Lass uns Wien für immer in Erinnerung behalten. Du hast einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen eingenommen. Ihn wird Dir keiner mehr nehmen. Wir dürfen froh sein über das, was wir erleben durften. Wie viele unter den sechs Milliarden Menschen auf dieser Erde können das von sich behaupten? Sei Dir meiner Zuneigung für immer bewusst. Ich wünsche Dir alles erdenklich Gute, Dein Hanno.«
Mir stehen die Tränen in den Augen. Und wieder spüre ich die Magie, die Nähe zwischen uns. Eine Nähe, die nicht Realität sein darf, die wieder aus mir verschwinden muss. Hannos Worte sind klar. Er hat das, was zwischen uns war, beendet. Ich muss mich mit der Erinnerung zufrieden geben.
Innerhalb weniger Sekunden überkommt mich ein Wechselbad der Gefühle. Glück darüber, dass Hanno meine Gefühle teilt. Dass er den Mut fasste und sich die Zeit nahm, eine solch persönliche E-Mail zu verfassen. Er hätte es sich auch leichtmachen können und sich einfach nicht mehr melden müssen. Zugleich verspüre ich aber auch eine bittere Enttäuschung. Nämlich darüber, dass er die Entscheidung für sich alleine getroffen hatte. Meine Meinung, meine Gefühle interessierten ihn nicht. Wie ein Schulmädchen stehe ich da, das diese Entscheidung akzeptieren muss. Hanno lässt keine Alternative offen.
Über die nächsten Tage wächst die Wut in mir. Ich hatte bisher nicht auf Hannos E-Mail geantwortet. Sollte er ruhig merken, dass ich enttäuscht war. Aber was, wenn er mein Nicht-Reagieren als stummes Einverständnis, als Bestätigung seiner Gefühlsstrategie empfand? Ich antworte also ein paar Tage später kurz und prägnant – um wenig Raum für Emotionen zu lassen:
»Lieber Hanno, danke für Deine E-Mail. Ich sehe das genauso wie Du. Dir alles Gute und viele Grüße, Betty.« Und in derSekunde, als ich den Senden-Knopf auf dem PC drücke, hasse ich mich selbst für meine kindische Reaktion. Hanno hat so viel in mir bewegt. Wir haben eine so schöne Zeit miteinander verbracht. Ihm habe ich eine Erinnerung zu verdanken, die ewig in meinem Herzen bleiben wird. Und ich schreibe ihm einfach nur eine kurze »Ich wünsche Dir noch ein schönes Leben«-E-Mail? Das bin nicht ich. Nicht die Betty, die immer alles gibt, die immer für alles kämpft, wofür es richtig und wichtig ist zu kämpfen. Und was hätte richtiger und wichtiger sein können als meine Beziehung zu Hanno?
Ich verfasse kurzerhand eine neue Nachricht:
»Lieber Hanno, entschuldige meine letzte Mail. Sie ist Ausdruck meines Gefühlschaos, dessen ich seit Wien nicht mehr wirklich Herr werde. Ich weiß, dass Du recht hast. Mit allem, was Du schreibst. Aber Wien kann doch nicht alles gewesen sein. Nicht, wenn wir gleich darüber denken und ähnliche Gefühle empfinden. Ich weiß selbst nicht, wie es weitergehen soll. Aber eine innere Stimme sagt mir, dass es weitergehen muss. Lass uns doch bitte noch einmal treffen. Noch einmal über alles sprechen. Bitte. Deine
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