Mein Herz tanzt Tango
ihren Schulrucksack steckte. „In welche Klasse gehst du eigentlich?“
„In die erste. Aber ich bin schon intelligent genug für die fünfte.“
„Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel“, behauptete Dalton. Er stand auf, schnappte sich seinen und Roses Teller und stellte sie in die Küche. „Bringst du Anna eigentlich zur Schule?“, wandte er sich an Rose.
„Wir haben eine Fahrgemeinschaft. Diese Woche ist die Mutter von Annas Freundin Abbey damit an der Reihe, die Mädchen in die Schule zu fahren. Aber ich warte mit Anna unten vor der Tür, bis sie abgeholt wird.“
„Komm bald wieder!“, gab ihr Dalton mit auf den Weg. Er sehnte sich nach einem Kuss, doch vor Anna wollte er nicht allzu viele Zärtlichkeiten austauschen.
Bis Dalton fertig abgespült hatte, war Rose zurück und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und einen zärtlichen Gutenmorgenkuss.
„So ist es recht“, sagte er zufrieden, seine Hände auf ihren Hüften. „Manche Männer brauchen morgens einen Kaffee, ich brauche nur dich.“
„Geht mir genauso.“
„Es tut mir leid, dass ich noch hier war, als Anna aufstand. Eigentlich wollte ich meinen Handy-Wecker stellen, aber ich muss sofort eingeschlafen sein.“
„Schon in Ordnung“, sagte sie, während sie den Geschirrspüler in Gang setzte. „Glaube ich zumindest. Am Anfang, als sie hereinplatzte, hatte ich etwas Angst, aber sie schien nicht besonders überrascht zu sein. Wahrscheinlich, weil sie dich mag.“
„Trotzdem bin ich gespannt, ob sie dich mit Fragen löchert, wenn sie heute Nachmittag nach Hause kommt.“
„Das wäre nur zu verständlich, wenn man berücksichtigt, dass ich selber jede Menge Fragen habe.“
Daltons Handy klingelte.
„Mist. Erwischt“, seufzte Dalton. Er fischte das Handy aus seiner Jackentasche.
„Sohn!“, bellte ihm sein Vater ins Ohr. „Ich weiß nicht, wo du dich rumtreibst, aber sieh zu, dass du umgehend herkommst, klar?“
Bevor Dalton antworten konnte, hatte sein Vater die Verbindung bereits grußlos abgebrochen.
„Die Stimme deines Vaters klingt nicht, als wäre er besonders krank“, bemerkte Rose, die jedes Wort gehört hatte.
„Da kann ich dir nur recht geben“, sagte Dalton seufzend. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie leid ich es bin, mich von ihm ständig herumkommandieren zu lassen.“
Er sank auf einen Barhocker, und Rose legte ihm den Arm um die Schultern. „Glaubst du, er ist wegen seiner Krankheit so ungeduldig?“, fragte sie. „Vielleicht hat er das Gefühl, dass er unbedingt alles Wichtige heute noch erledigen muss, weil es morgen schon zu spät sein kann?“
Dalton lachte bitter. „Bei jedem anderen Menschen würde ich dir zustimmen. Aber William Macy Montgomery kommandiert sein Umfeld schon auf diese Art herum, solange ich ihn kenne.“
„Dann heißt das also, dass du gehen musst?“
„Sicher. Aber erst, wenn ich eine zweite Tasse Kaffee getrunken, die Zeitung gelesen und meine Skulptur von dir fertiggestellt habe.“
„Das klingt wirklich sehr verlockend, Dalton, aber willst du deinem Vater nicht lieber gehorchen? Ich glaube nicht, dass du ihn noch mehr reizen solltest. Wenn ihm daraufhin etwas passieren würde, könntest du dir das mit Sicherheit nie verzeihen.“
„Entspann dich“, befahl Dalton und zog Rose an sich, um sie zu küssen. „Der Mann wird uns mit Leichtigkeit überleben. Für alles andere ist er viel zu dickköpfig.“
Als Rose am frühen Nachmittag die Wohnung verließ, um sich ein Geschoss tiefer ihren Tanzschülern zu widmen, entfernte Dalton das feuchte Leintuch, in das er die Tonskulptur eingewickelt hatte, um weiterzuarbeiten. Einige Zeit lang sah er sein Werk nur an.
Roses entspanntes Gesicht im Schlaf. Ihr schlanker, leidenschaftlicher Hals. Ihre vollen, perfekt geformten Brüste. Ihre langen, zarten Finger.
Merkwürdig, wie anders die Skulptur aussah, wenn Rose nicht im Raum war. Bedächtig berührte er den feuchten Ton. Ohne Rose fühlte er sich verwirrt und verloren.
Doch gemeinsam mit ihr war er stark genug, der Welt – und seinem Vater – mutig entgegenzutreten. Alles würde gut werden, auch wenn er noch nicht wusste, wie genau er sich eine Lösung für all seine Probleme vorstellte.
Dalton fasste sich ein Herz und begann zu arbeiten. Nur mit seinen Fingern und den einfachen Werkzeugen, die Rose ihm besorgt hatte, modellierte und formte er den Ton, bis Rose endlich da war. Nicht im physischen Sinne, sondern im geistigen.
Zum ersten Mal seit
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