Mein Herz tanzt Tango
College-Zeiten vertiefte er sich so in seine Arbeit, dass er alles um sich herum vergaß. Er dachte nur noch an Rose und daran, dass sie ihm dieses Glück geschenkt hatte. Eigentlich kannte er sie kaum, und doch verdankte er ihr so viel!
Als Dalton Stunden später mit schmerzendem Rücken und steifen Fingern einige Schritte zurücktrat, um sein fertiges Werk zu begutachten, fiel ihm auf, dass es schon fast dunkel war. Und Rose war nicht hier. Während er voller Liebe den ganzen Nachmittag an ihren Kurven gearbeitet und ihre Lippen, Brüste und Beine gestreichelt hatte, war sie ihm vollkommen real erschienen. Doch nun ließ sich die Illusion nicht mehr länger aufrechterhalten.
„Warum haben wir nicht zu Hause gegessen, Mommy?“
Rose öffnete leise die Wohnungstür und warf einen Blick nach drinnen. Anscheinend war Dalton fort.
„Weil Mr. Dalton hier gearbeitet hat.“
„Was hat er denn gearbeitet?“
„An seiner Skulptur“, antwortete sie geduldig. Mit dem Ellenbogen drückte sie auf den Lichtschalter, dann eilte sie in die Küche, um dort die beiden schweren Einkaufstüten abzustellen, die sie auf dem Arm trug.
„Wow! Schau mal, Mommy!“
Rose stellte erst Butter und Milch in den Kühlschrank, bevor sie in die Richtung sah, in die Anna mit dem Finger zeigte. Doch als sie es schließlich tat, war sie von der unglaublichen Ähnlichkeit überwältigt.
Sie legte die Hand auf den Mund und kämpfte mit den hochsteigenden Tränen. Rose ging hinüber zu der Skulptur und betrachtete sie versonnen. Dalton hatte nicht nur Talent, er musste ein Genie sein. Dass er seine Tage in einem Büro verbrachte, war ein Unglück, wenn nicht sogar ein Verbrechen!
„Hat das Mr. Dalton wirklich selber gemacht? Oder hat er es gekauft, während wir essen waren?“
„Nein, er … er hat es wirklich selbst gemacht“, stammelte Rose. Dabei versuchte sie sich daran zu erinnern, wann sie das letzte Mal ein derartig überzeugendes Kunstwerk gesehen hatte. New York? London? Paris? Die Linien und Proportionen waren makellos. Und das ohne Modell und binnen zwei Tagen. Einfach unfassbar. Dass sein Vater Daltons Talent nicht anerkannte, war eine Schande.
Tief in seinem Inneren musste Dalton das auch wissen. Aber würde es ihr je gelingen, ihn dazu zu bringen, es auch vor sich selbst und anderen zuzugeben?
„Dann proben wir jetzt die Vorstellung Ihrer kleinen Tänzerinnen“, wandte sich Alice bei der Generalprobe zur Misswahl an Rose. „Ihr Auftritt findet vor einem Bühnenbild statt, das aus drei riesigen Chilischoten besteht, die die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft unserer Stadt darstellen sollen. Auf der etwa zehn mal sechs Meter großen Fläche davor haben Sie Platz für die Choreografie, die Sie mit den Kindern einstudiert haben.“
„Wunderbar“, antwortete Rose. „Sind die Kostüme vielleicht schon fertig?“
„Alle, bis auf eines. Die Mutter von Stephie Jenkins hat den Taillenumfang ihrer Tochter beschönigt, als sie die Maße angab. Jetzt passt die Kleine nicht in ihr Kleidchen. Aber das wird heute Abend noch geändert.“
„Sehr gut, danke.“
„Gern geschehen. Ich freue mich, dass Sie mitmachen. Gleichzeitig ist das bestimmt auch eine gute Werbung für Ihr Tanzstudio. Vielleicht gewinnen Sie so ja einige zusätzliche Schüler.“
„Darüber wäre ich sehr froh. Als Miss Gertrude in den Ruhestand ging, haben viele ihrer Schülerinnen und Schüler mit dem Tanzen aufgehört. Ich könnte einige neue Kunden gebrauchen.“
„Interessant, dass Sie das erwähnen“, bemerkte Alice. „Ich habe nämlich heute Morgen mit William Montgomery gesprochen, und er hat das Gefühl, dass Dalton das Tanzen zu ernst nimmt. Die Tanzstunden scheinen seine beruflichen Leistungen zu beeinträchtigen.“
„Das ist doch absurd“, erklärte Rose. „Man kann das Tanzen gar nicht zu ernst nehmen.“
„In Daltons Fall offenbar schon. Ich möchte mich nicht in Ihre Angelegenheiten einmischen, aber Dalton kann sich keine Ablenkungen erlauben.“
„Und dafür halten Sie mich? Für eine Ablenkung?“
„Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich mag Sie wirklich gerne. Sie sind nett, freundlich und talentiert. Aber Dalton wurde für seine Aufgaben bei der Bank geboren, Sie für die Tanzfläche. Angesichts der vielen Zeit, die er in den letzten Wochen außerhalb seines Büros verbracht hat, passen diese beiden Berufe einfach nicht zusammen.“
8. KAPITEL
„Sie hat was gesagt?“ Dalton saß neben Rose auf ihrem Sofa und
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