Mein irischer Held
anzubieten. Er setzte damit das Leben seiner Leute ebenso wie seine eigene Zukunft aufs Spiel. Aber er konnte es nicht ertragen, dass schutzlose Frauen geschlagen wurden. Er hasste und verachtete Hugh für seine Brutalität.
Glücklicherweise war es nicht allzu weit bis zu einem Ort, an dem sie Unterschlupf finden würden, ehe sie ihre Flucht fortsetzen mussten. Ihr endgültiges Ziel war die Burg seines älteren Bruders, doch die lag mehr als eine Tagesreise entfernt. Er war zu Pferd nach Rionallís gekommen, doch nach den Ereignissen der letzten Stunden konnte er unmöglich das Risiko eingehen, sein Reittier zu holen. Er musste Ewan und die Normannin so schnell und unauffällig wie nur möglich zum Turm bringen.
Von seinen Männern gab es nirgends eine Spur. Das erfüllte ihn mit Besorgnis. Diejenigen, die sich im Inneren der Burg aufgehalten hatten und gefangen genommen worden waren, waren von Ewan befreit worden. Aber war ihnen die Flucht tatsächlich gelungen? Und wie stand es um jene, die an der äußeren Palisade gekämpft hatten?
Er blieb stehen und schaute sich um. Überall waren im Umkreis der Burg brennende Fackeln zu sehen. Hatte Marstowe seine Leute bereits ausgeschickt, um die Verfolgung der Iren aufzunehmen? Himmel, sie mussten sich beeilen.
Er umfasste Genevieves Hand fester und zog die junge Frau mit sich fort. Ewan schien es leichtzufallen, mit ihm Schritt zu halten. Das mochte daran liegen, dass Bevan durch die Schulterverletzung geschwächt war. Er litt große Schmerzen und spürte, dass die Wunde noch immer blutete. Aber er musste durchhalten.
Tatsächlich war es Genevieve, die als Erste nicht mehr weiter konnte. Sie ließ sich gegen den rauen Stamm eines Baumes sinken und keuchte: „Bitte, lasst uns einen Moment lang ausruhen.“
Ewan warf ihr einen mitleidigen Blick zu. Er selbst war erschöpft, verfügte jedoch noch über ausreichende Kraftreserven. Eine Frau hingegen – zumindest eine vornehme normannische Frau – war an solche Anstrengungen nicht gewöhnt. Zudem schien sie verletzt zu sein, denn immer wieder legte sie die Hand schützend auf die Rippen, auch atmete sie auffallend flach. Ewan hatte gesehen, wie Hugh sie niedergeschlagen hat te. Er bedauerte sie.
Bevan hingegen wusste, dass jetzt keine Zeit für solche Gefühle war. Er musterte Genevieve prüfend, wobei er sagte: „Wir werden verfolgt. Wenn wir nicht riskieren wollen, dass man uns einholt, müssen wir weiter. Oder wollt Ihr lieber nach Rionallís zurückkehren?“
„Nein!“ Ihre Augen blitzten auf, sie versuchte die Schultern zu straffen. „Niemals werde ich zu ihm zurückkehren.“ Mit schleppenden Schritten ging sie weiter.
„Ist er Euer Gemahl?“
„Mein Verlobter.“ Sie schaffte es tatsächlich, das Tempo zu steigern. „Aber ich werde die Verlobung lösen, sobald ich in Sicherheit vor ihm bin.“
Sie durchquerten ein Wäldchen, was im Dunkeln ausgesprochen mühsam war. Glücklicherweise erreichten sie bald wieder offenes Land. Suchend schaute Bevan sich um. Wenn er jetzt den falschen Weg wählte, konnte ihn das sein Leben kosten. Zudem war er für Ewan und die Frau verantwortlich. Er musste sie retten.
Endlich entdeckte er, wonach er so verzweifelt Ausschau gehalten hatte: einen schwachen Lichtschein. Dort musste sich die Kirche befinden. „Weiter“, rief er aus, obwohl er spürte, dass auch seine Kräfte zu Ende gingen.
Genevieve legte ihm vorsichtig die Hand auf den Arm. „Gestattet mir, Eure Wunde zu verbinden.“
Er schüttelte den Kopf. „Wir können es uns nicht erlauben, eine Pause zu machen.“
„Bruder“, Ewan stellte sich ihm in den Weg, „sie hat recht. Du wirst nicht durchhalten, wenn deine Wunde nicht versorgt wird.“
Es widerstrebte ihm zutiefst, zuzugeben, wie geschwächt er war. Diese beiden Menschen waren abhängig von ihm, er war für sie verantwortlich. Aus diesem Grund musste er stark sein. Aber er wusste auch, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis er das erste Mal stolpern und vielleicht sogar stürzen würde. Er richtete den Blick fest auf das schwache Licht. „Ich kenne einen Ort, an dem wir uns verstecken können“, erklärte er. „Es ist nicht mehr weit.“
„Gut.“ Ewan nickte, und sie setzten ihren Weg unter größten Anstrengungen fort.
Nach einer Weile – sie mussten die Grenze des zu Rionallís ge hörenden Landes fast erreicht haben – tauchte rechts von ihnen ein Cottage auf. Genevieve zeigte darauf. „Bitte!“
„Nein.“ Bevan war
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