Mein irischer Held
sich offensichtlich vor ihm. Nun, er war ein Mann, und vermutlich konnte sie nicht vergessen, was ein anderer ihr angetan hatte.
Tatsächlich war ihre Wange inzwischen stark angeschwollen und hatte sich bläulich verfärbt. An ihrer Schläfe klebte geronnenes Blut. Auch atmete sie noch immer so flach, dass kein Zweifel daran bestehen konnte, dass ihre Rippen heftig schmerzten.
Ich bin froh, dass ich sie von Rionallís fortgeholt habe, dachte Bevan. Ich hätte es mir nicht verziehen, wenn ich sie in der Gewalt dieses brutalen Normannen zurückgelassen hätte. Aber was soll ich nun mit ihr tun?
„Habt Ihr Verwandte in Irland?“, erkundigte er sich.
Genevieve schüttelte den Kopf. „Mein Vater hätte mich begleiten sollen, aber er wurde krank und musste die Reise unterbrechen. Er hat stattdessen Sir Peter beauftragt, auf mich zu achten. Eigentlich hätte ich Hugh gleich nach unserer Ankunft auf Rionallís heiraten sollen.“
„Aber das habt Ihr nicht getan.“
Sie seufzte. „König Henry wollte – vermutlich auf Drängen meines Verlobten – als Gast an der Hochzeit teilnehmen. Ich glaube, Hugh überschätzt die Bedeutung, die der König ihm beimisst. Aber ich war froh über den Aufschub.“
„Dieser Sir Peter scheint kein besonders zuverlässiger Beschützer zu sein“, stellte Bevan fest.
Sie errötete. „Er findet es richtig, dass eine ungehorsame Frau betraft wird.“ Für einen Augenblick starrte sie zu Boden. Dann wechselte sie das Thema. „Ich muss mich noch um den Schnitt auf Eurer Wange kümmern.“ Schweigend säuberte und verband sie die Wunde.
Endlich war alles zu ihrer Zufriedenheit erledigt. Sie setzte sich auf den Strohhaufen, und Bevan goss sich noch einen Becher Met ein. „Wohin soll ich Euch bringen?“
„Fort von Hugh, das ist das Wichtigste.“
Das war nicht die Antwort, die er erhofft hatte. Er wollte sich der Verantwortung für diese Frau so rasch wie möglich entledigen. Sie war eine Normannin, eine Feindin. Er stand in ihrer Schuld, weil sie ihm und Ewan geholfen hatte. Aber indem er sie mitgenommen hatte, war diese Schuld beglichen – oder nicht?
Ohne weiter über seine Beweggründe für sein Handeln Re chenschaft abzulegen, ging er mit dem Wasserbehälter und einem Tuch zu ihr und begann, das Blut von ihrer Schläfe zu waschen. Dabei nahm er den leichten Duft nach Lavendel wahr, der von ihrem Haar aufstieg.
Fiona hatte sich nie mit Lavendel parfümiert. Trotzdem überfiel ihn in diesem Moment die Erinnerung an sie mit schmerzhafter Heftigkeit. Genevieve hatte das gleiche volle dunkle Haar wie seine verstorbene Gemahlin. Aber gab es eine darüber hinausgehende Ähnlichkeit? Wohl kaum …
Ein Windstoß fuhr durch die Turmöffnungen ins Innere und brachte ein paar weiße Flocken mit. Genevieve erschauerte vor Kälte. Ewan jedoch stellte zufrieden fest: „Der Schnee wird unsere Spuren überdecken. Nun werden sie uns nicht verfolgen können.“
Lächelnd schaute Genevieve zu ihm hin. Bevan, der die Szene beobachtet hatte, spürte, wie sein Herz schneller zu schlagen begann. Wie lange war es her, dass er ein so sanftes, warmes Lächeln gesehen hatte?
Dummkopf, rief er sich selbst zur Ordnung, sie ist eine Normannin, und ihre Leute haben deine Pächter angegriffen und dein Land gestohlen. Trotzdem fühlte er sich zu ihr hingezogen. Vielleicht hatte sie ihn verhext …
„Ihr solltet jetzt schlafen“, sagte er. „Ewan und ich werden abwechselnd Wache halten.“
Sie nickte, legte sich ins Stroh und rollte sich zum Schutz gegen die Kälte zusammen. Gleich darauf war sie eingeschlafen.
Bevan betrachtete Genevieve. Sie wirkte jetzt entspannt, und ihr Atem ging gleichmäßig. Das dunkle Haar fiel ihr in weichen Wellen auf die Schulter. Unwillkürlich streckte er die Hand aus und wickelte eine der glänzenden Strähnen um seinen Finger.
Eine geheimnisvolle Anziehungskraft ging von der Normannin aus. Lag es daran, dass sie so hilflos wirkte? Nun, Bevan wusste, dass sie es keineswegs war. Ihr war es zu verdanken, dass er und Ewan aus Rionallís entkommen waren. Mit überraschendem Mut hatte sie sich gegen ihren Verlobten gestellt und ihn sogar angegriffen. Dass sie unter diesen Umständen nicht in seinem Herrschaftsbereich bleiben konnte, war klar. Aber wohin sollte sie fliehen?
Ein leiser Laut riss ihn aus seinen Gedanken. Rasch zog er die Hand zurück.
Genevieve schlug die Augen auf. „Ich habe geträumt …“ Sie war blass. Aber ihr Blick war fest, als sie nun zu Bevan
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