Mein irischer Held
unerbittlich. „Ich bringe nicht wissentlich das Leben meiner unschuldigen Pächter in Gefahr.“
Er hatte natürlich recht. Wenn Hugh erfuhr, dass jemand ihnen Unterschlupf gewährt hatte, würde seine Rache furchtbar sein.
„Seht Ihr den Turm?“ MacEgan zeigte nach vorn. „Dort werden wir uns ausruhen.“
Der steinerne Rundturm stand in der Nähe der kleinen Kirche, an deren Licht er sich orientiert hatte und die sie nach wenigen Minuten erreichten. Mit Gesten forderte Bevan seinen Bruder auf, das Gebäude zu umrunden, um nach Feinden Ausschau zu halten. Rasch und mit einem Lächeln auf den Lippen kehrte der Junge zurück. Alles schien sicher zu sein. Jetzt erst hob MacEgan die Faust und klopfte an die Tür eines gleich neben der Kirche stehenden Gebäudes.
Ein großer Mann öffnete, es war Pater Ó Brian, der Priester. Jeder in der Gegend wusste, dass er als junger Mann selbst ein Krieger gewesen war, und man achtete ihn dafür.
„Wir brauchen eine Unterkunft, Vater“, sagte Bevan.
Der Priester musterte die drei Menschen aufmerksam. Er bemerkte den großen Blutfleck auf MacEgans Umhang, sah, wie erschöpft die Frau war und wie erleichtert der Junge, dass sie ihr vorläufiges Ziel erreicht hatten.
„Ihr wart lange fort, MacEgan“, meinte er. „Es muss beinahe zwei Jahre her sein, dass Ihr Rionallís verlassen habt. Kommt herein.“ Er machte einen Schritt zur Seite, damit sie eintreten konnten. „Es ist gut, Euch zu sehen. Viele haben gebetet, damit Ihr den Weg nach Hause findet.“
Bevan verstand den versteckten Tadel sehr wohl. Er hätte Rionallís und die dort lebenden Menschen nicht allein lassen dürfen, dann wären Burg und Land nie in die Hände der Normannen gefallen. Aber nach Fionas Tod hatte er es in der vertrauten Umgebung, in der ihn alles an sie erinnerte, nicht mehr ausgehalten. Deshalb hatte er sich entschlossen, sich eine Zeit lang als Söldner zu verpflichten.
„Ich werde zurückkommen und mich meinen Pflichten stellen“, versprach Bevan. „Doch jetzt …“ Aus den Augenwinkeln sah er, wie Ewan errötete. Vermutlich machte auch der Junge ihm insgeheim Vorwürfe wegen des Schicksals, das Rionallís er eilt hatte. Erschwerend kam hinzu, dass es ihm in dieser Nacht nicht gelungen war, seinen Besitz zurückzuerobern.
„Gut!“ Pater Ó Brian nickte. „Was kann ich tun, um Euch zu helfen?“
„Wir werden verfolgt und brauchen ein sicheres Versteck, auch etwas zu essen. Und wenn möglich Pferde, um unsere Reise fortsetzen zu können.“
„Ich werde sehen, was ich machen kann.“ Ó Brian runzelte nachdenklich die Stirn. „Aber zuerst bringe ich Euch in den Turm.“
Der Eingang lag einige Meter über der Erde, eine Treppe gab es nicht. Aus einem Versteck holte der Priester eine Leiter, damit die drei Flüchtlinge hinaufsteigen konnten. Im Inneren des Turms fanden sie eine Fackel vor sowie eine Strickleiter, über die sie die nächste Ebene erreichen konnten.
„Zu welchem Zweck wurde dieser Turm erbaut?“, erkundigte Genevieve sich.
„Das weiß niemand genau, denn er ist sehr alt. Uns hat er von jeher als Vorratskammer gedient, aber auch als Aussichtsturm, von dem aus wir unsere Feinde schon von Weitem erkennen konnten“, antwortete Bevan. „Man sagt, dass die ersten christlichen Priester in Irland solche Türme benutzt haben, um Schätze, die der Kirche gehörten, sicher zu verwahren.“
Mühsam stiegen sie zu dem Raum hinauf, der sich oben im Turm befand. Hier gab es sechs Öffnungen, von denen aus man das Land überblicken konnte. In einer Ecke lag ein Haufen sauberes Stroh, das als Bett dienen konnte. Sehnsüchtig schaute Genevieve dorthin.
In diesem Moment tauchte Pater Ó Brian mit einem Schlauch voll Wasser und einigen Streifen sauberen Leinens auf.„Ich werde mich um Eure Verletzungen kümmern, MacEgan.“
„Lasst mich das machen“, bat Genevieve. „Könnt Ihr mir Nadel und Faden besorgen? Ich fürchte, dass die Wunde an der Schulter genäht werden muss.“
Der Priester sah sie misstrauisch an, doch dann nickte er und verschwand, um das Gewünschte zu holen.
Es dauerte eine Weile, bis er zurückkehrte. Er hatte nicht nur Nähzeug, sondern auch Brot und Met mitgebracht. Hungrig und durstig machten sie sich darüber her, ehe Genevieve sich schließlich der Behandlung von Bevans Wunden widmete.
Sie arbeitete rasch und geschickt, doch es entging MacEgan nicht, dass sie unruhig, fast ängstlich war. Selbst nach allem, was geschehen war, fürchtete sie
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