Mein irischer Held
aufschaute. „Ich habe Euch noch nicht dafür gedankt, dass Ihr mich mitgenommen habt. Ich weiß, dass ich eine Last für Euch bin.“
„Sobald wir die Burg meines Bruders erreicht haben, sind wir in Sicherheit. Ich werde mich dann darum kümmern, dass man Euch hinbringt, wo immer Ihr auch hingehen möchtet.“
„Ich möchte heim nach England“, sagte sie leise. „Aber zunächst müsst Ihr dafür sorgen, dass Euch und Eurem Bruder nichts zustößt. Hugh wird alles in seiner Macht Stehende tun, um sich an Euch zu rächen.“
„Und an Euch.“
Sie senkte den Blick, und ein paar dunkle Haarsträhnen fielen ihr ins Gesicht. „Ja.“
Nur mit Mühe konnte er dem Verlangen widerstehen, sie zu berühren. Zorn auf seine eigene Schwäche breitete sich in ihm aus. Was hatte diese Frau nur an sich, dass ihn so anzog?
Abrupt stand er auf und trat zu einer der Turmöffnungen, um wortlos in die Nacht hinauszustarren.
„Wir müssen weiter“, erklärte Bevan.
Genevieve öffnete die Augen. Sie war sofort hellwach. Eine seltsame Mischung aus Angst und Hoffnung erfüllte sie. Es war ihr gelungen, Hugh zu entkommen. Nun würde ihr Vater ihr helfen, die Verlobung zu lösen. Sie musste ihn nur finden. Nun, wahrscheinlich war es am einfachsten, zu Hause in England auf ihn zu warten. Ja, sie würde – so wie sie es MacEgan in der Nacht mitgeteilt hatte – nach England zurückkehren.
„Wohin wollen wir?“, erkundigte sie sich, während sie sich die Arme rieb, um das Blut in ihren Adern in Bewegung zu bringen. Trotz des wärmenden Strohs fühlte ihr Körper sich steif vor Kälte an.
„Ich habe darüber nachgedacht, was das Beste für Euch ist. Vermutlich sollte ich Euch nach Tara bringen, wo es ein normannisches Lager gibt.“
Sie schüttelte den Kopf. Hugh würde es bald erfahren, wenn sie sich dort aufhielt.
„Unter Euren Leuten wäret Ihr in Sicherheit“, beharrte Bevan.
„Nein. Die Normannen bewundern Hugh.“ Sie spürte, wie Ver wirrung und Zorn in MacEgan aufwallten. Zweifellos war er nicht daran gewöhnt, dass man seine Entscheidungen infrage stellte. Trotzdem fuhr sie unbeirrt fort: „Mein Verlobter ist ein berühmter Ritter. Er hat viele Freunde, selbst der König achtet ihn. Irgendwer wird mich an ihn verraten.“
Der Ire hatte die Stirn gerunzelt, sagte jedoch nichts. Er hielt sich sehr aufrecht, fast ein wenig verkrampft. Und jetzt bemerkte Genevieve, dass die Stichwunde an seiner Schulter aufs Neue rote Flecken auf seinem Umhang verursacht hatte. Offenbar hatte die Blutung nicht vollständig aufgehört, obwohl die Wunde genäht worden war.
„Wir müssen einen Heiler finden, der sich um Eure Verletzungen kümmert“, stellte sie fest.
„Auf der Burg meines Bruders lebt einer, brechen wir also auf.“ Er gürtete sein Schwert um, und einen Moment lang spiegelte seine Miene wider, welche Schmerzen er litt. „Was ist mit Euch? Braucht Ihr auch einen kundigen Heiler? Sind Eure Rippen gebrochen?“
„Das habe ich zuerst angenommen“, antwortete sie. „Aber inzwischen glaube ich, dass es nur eine Prellung ist.“
„Gut.“ Er wandte sich seinem Bruder zu, der noch immer fest schlief. Doch als Bevan den Jungen an der Schulter berührte, gähnte dieser, sprang auf die Füße und streckte sich. Ewans Haar war vom Schlaf zerzaust, er sah noch sehr jung aus. Genevieve fühlte sich an ihre eigenen Brüder erinnert. Sehnsucht nach ihrer Familie überkam sie, aber sie wusste, dass sie jetzt nicht sentimental werden durfte.
Während Hugh sie auf Rionallís wie eine Gefangene behandelt hatte, war sie oft versucht gewesen, James oder Michael eine Nachricht zu schicken. Aber es gab einiges, das dagegen sprach. Michael war in Schottland, und es hätte lange gedauert, bis er von ihren Problemen erfuhr. James wiederum war seit etwa einem Jahr verheiratet und zweifellos mit anderen Dingen beschäftigt. Beide hätten dennoch einen Hilferuf ihrer Schwester sehr ernst genommen. Und beide hätten nicht gezögert, Hugh umzubringen. Auch das war für Genevieve ein Grund, lieber die Unterstützung ihres Vaters zu suchen.
„Pater Ó Brian hat uns zwei Pferde besorgt“, sagte Bevan, als sie den Turm verließen. „Ihr, Mylady, reitet mit mir.“
Ewan half ihr beim Aufsteigen, ehe er sich auf das andere Pferd schwang.
Nichts regte sich, als sie aufbrachen, selbst der Priester ließ sich nicht blicken. Es schneite noch immer. Vermutlich würde es nicht lange dauern, bis die stetig fallenden Flocken alle neuen
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