Mein irischer Held
können, dass meine Tochter mich darüber informiert hat, wie Ihr sie behandelt“, sagte er. „Ihr habt auch nicht verhindern können, dass ich aus anderen Quellen erfahren habe, zu welchen Grausamkeiten Ihr fähig seid. Ihr seid es nicht wert, Genevieves Gemahl zu werden oder auch nur den Titel ‚Ritter‘ zu tragen.“
Marstowe bebte vor Zorn, seine Wangen hatten sich gerötet, aber er wagte nicht, den Earl anzugreifen. Mit einem unterdrückten Fluch wendete er sein Pferd und ritt davon.
„Lady Genevieve, man hat mich geschickt, um Euch mitzuteilen, dass Eure Eltern eingetroffen sind.“
Genevieve, die einen Korb voller Wäsche, die geflickt werden musste, vor sich stehen hatte, sprang auf. Dann besann sie sich auf ihre Erziehung. Ein würdevolles Benehmen wurde von ihr erwartet. Also fragte sie, scheinbar gelassen: „Der Earl und die Countess halten sich im großen Saal auf?“
„Nein. Eure Leute erwarten Euch vor den Toren der Burg.“
Sie runzelte die Stirn. „Es ist kalt, zudem bricht die Dämmerung herein. Warum wollen sie die Festung nicht betreten?“
Der rothaarige Bote trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. „König Patrick hat sie nicht hereingebeten. Wie Ihr wisst, betrachtet er die Normannen als Feinde.“
Das kam ihr seltsam vor. Zweifellos gab es genug Iren, die gegen alle Normannen waren. Aber Partrick hatte sich wieder und wieder für eine Versöhnung zwischen den Völkern ausgesprochen. Er war es gewesen, der vorgeschlagen hatte, Bevan solle sie, Genevieve, heiraten, damit der Frieden gesichert wurde. Würde er sie nun gehen lassen, ohne sich auch nur von ihr zu verabschieden? Das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen.
Sie musterte den Soldaten aufmerksam und mit wachsendem Misstrauen. Sein Gesicht kam ihr bekannt vor, aber sie hätte nicht zu sagen gewusst, wann und wo sie ihm schon einmal begegnet war. Eines allerdings war ihr klar: Sie musste vorsichtig sein.
„Soll ich mitnehmen, was mir gehört?“, erkundigte sie sich.
„Nein, Patrick wird dafür sorgen, dass all Eure Besitztümer nach Rionallís geschickt werden.“
„Das ist auch eine Möglichkeit.“ Genevieve trat zu einer Truhe und nahm einen wollenen Umhang und ein kleines Messer heraus, das sie in den Falten des Stoffs versteckte. So unwahrscheinlich es ihr auch erschien, dass ihre Eltern draußen auf sie warteten, sie wollte nicht riskieren, das so lang erhoffte Treffen mit ihrem Vater und ihrer Mutter zu versäumen.
„Gehen wir.“
Der Ire führte sie durch einen ihr bisher unbekannten Gang zu einer Tür, durch die sie in den Hof hinaustraten. Sie überquerten ihn und erreichten das Tor der inneren Mauer. Niemand wartete dort, um Genevieve hinaus zu ihren Eltern zu begleiten. Sie blieb stehen, endgültig überzeugt davon, dass der Bote nicht die Wahrheit gesprochen hatte. „Ich werde Laochre erst verlassen, nachdem ich mit Patrick gesprochen habe“, erklärte sie.
Plötzlich ging alles sehr schnell. Der Soldat ergriff ihr Handgelenk und zog sie mit sich fort. Sie umfasste mit der anderen Hand das Messer. Doch ehe sie es benutzen konnte, hatte der Mann es ihr entwunden. Und schon spürte Genevieve die Klinge an ihrem Hals.
„Warum tut Ihr das?“, fragte sie ihn entsetzt. „Ihr gehört doch zu MacEgans Leuten.“
„Ich habe keine Wahl“, erwiderte er. „Sir Hugh hält meine Frau gefangen, und er wird sie nur freigeben, wenn ich Euch zu ihm bringe. Es wäre für alle am besten, wenn Ihr mir freiwillig folgen würdet. Ich möchte Euch nicht wehtun.“
Genevieves Gedanken überschlugen sich. „Woher wollt Ihr wissen“, stieß sie hervor, „dass Sir Hugh sie nicht längst umgebracht hat? Ich kenne ihn. Ihm fehlt jede Güte. Wollt Ihr zum Verräter werden, obwohl Eure Frau wahrscheinlich schon tot ist?“
Seine Miene war starr. „Ich werde herausfinden, ob sie noch lebt.“ Sein Blick wanderte zu einem Lederbeutel, den er am Gürtel trug.
Hatte er sich von Hugh für seinen Verrat bezahlen lassen? Genevieve konnte es nicht glauben. Bisher hatte sie stets den Eindruck gewonnen, dass die Soldaten der MacEgans ihrem König treu ergeben waren. Und dann wurde ihr klar, warum ihr das Gesicht des Mannes so bekannt vorgekommen war. „Ihr seid Declans Vater“, rief sie aus.
Er lockerte seinen Griff. „Ja. Glücklicherweise ist mein Sohn jetzt bei seiner Tante und in Sicherheit.“
„Aber nur, weil ich ihm das Leben gerettet habe. Wisst Ihr nicht, dass ich ihn aus dem eisigen Wasser
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