Mein irisches Tagebuch
1759 mit unverwechselbar süßlichem Malzgeruch: Ich bin in den »Liberties«, auf dem Gelände der weltberühmten Guinness-Brauerei (St. James’s Gate Brewery), eine stadtteilgroße Anlage, die sich bis zur Liffey hinunterzieht.
Ich gehe im Hop Store die Treppe hoch - riesige Hallen, alter Holzboden, große Fässer und Kessel, Maschinen mit gewaltigen Schwungrädern, Fotos von Arbeitern an glühenden Ofen.
Hier hat Arthur Guinness angefangen, Bier zu brauen, auf einem Areal, das er für 45 Pfund pro annum gemietet hatte, und zwar für 9 ooojahre! Womit der Ahnherr der bekanntesten Brauersippe der Welt nur jene glückliche Hand bewies, die der Firma bis zum heutigen Tag treu geblieben ist.
Dabei ist Bier ein Getränk, das im Irland des i8.Jahrhunderts so gut wie unbekannt war - das favorisierte Gesöff war hausgebrannter Schnaps. Ein Jahr nach Arthurs Gründung, 1760, wurde jede häusliche Herstellung von Alkohol durch die Regierung verboten, eine Koinzidenz, die Guinness gewiß zugute kam, wenngleich die halbe Nation noch lange ihren Ehrgeiz daran setzte, ungeachtet der gepfefferten Strafen den Fusel auch weiterhin innerhalb der baufälligen Wände ihrer cottages zu destillieren.
Hier also hatte es mit Mühlen, Malzhäusern, Kupferkesseln, mit Pferden und einem Heuvorrat von 200 Tonnen zu ihrer Fütterung begonnen, wurde Bier und nichts als Bier gebraut, zunächst nur helles. Das dunkle, das porter, so genannt, weil es bei Gepäckträgern und anderen kernigen Gesellen hochbeliebt war, kam später dazu. Aus ihm wurde dann das kräftigere Stout, das im Lauf der Zeit seinen Siegeszug um die ganze Welt antrat und heute in 120 Ländern hergestellt wird. Allein das Dubliner Stammhaus, in dessen altem Zentrum ich mich befinde, produziert täglich eineinhalb Millionen Liter, davon vierzig Prozent für den Export.
Ein besonderer Clou jedes irischen Wirts besteht darin, das Nationalgetränk so einzuschenken, daß im vollen Glas oben die Blume sahnig aufblüht. Unterdessen sind die Moderne und der Tribut an ihre Trinkgewohnheiten jedoch so weit gediehen, daß gezapftes Guinness nicht nur in Dosen erhältlich ist, sondern mittels eines Kompressionsmechanismus im Blech beim Öffnen auch seine schaumige Krone hervorquillt.
Das meiste Stout rinnt aber immer noch an der Theke durch die Kehlen der Iren, eines Volks, das bereit ist, zwölfeinhalb Prozent seines Einkommens für alkoholische Getränke hinzublättern, das meiste davon für Guinness.
Nicht zuletzt dieser kollektiven Vorliebe wegen sind alle Pläne, eine Pipeline von der Brauerei zu den Transportschiffen im Hafen von Dublin legen zu lassen, schon im Status nascendi, in der Phase bloßer theoretischer Erwägung, steckengeblieben: Der Gedanke, daß die Stout-Röhre unterwegs angezapft werden könnte, lag zu nahe, als daß ihre Materialisierung ernsthaft ins Auge gefaßt werden konnte. Und so wird denn die flüssig veredelte Maische nach wie vor von Lastwagen zum Hafen befördert.
Ansonsten befindet sich der Herstellungsprozeß absolut auf der technologischen Höhe unseres Zeitalters und hat mit seinen arbeitskräftesparenden Maschinen, seinen Alufässern und Förderbändern keine Ähnlichkeit mehr mit den vorsintflutlich anmutenden Anfängen vor über 200 Jahren.
Große Mäzene in Kunst und Kultur sind sie inzwischen geworden, die längst geadelten Guinness-Leute, was sie nicht davor bewahrte, daß der allgegenwärtige »JJ« sich ihrer auf seine Art annahm. Läßt er doch im »Ulysses« Leopold Bloom respektlos absondern: »Fässer voll Porter, wunderbar. Da sind auch Ratten drin. Saufen sich voll, bis sie wie Wasserleichen aussehen. Und so was trinkt man nun. Das muß man sich vorstellen. Rotz, Kotz. Na ja, wenn wir alles wüßten.«
Die Firma jedoch hat immer darauf bestanden, nichts als reines Wasser (von der oberen Liffey), Gerste, Hopfen und Hefe zu verwenden, und zwar so vorbildlich, daß es dem strengen deutschen Reinheitsgebot von 1516 entspricht und ihr Getränk seit dreißig Jahren ohne Beanstandung auch nach Germany exportiert wird, und zwar nicht zu knapp.
Die von James Joyce demutlos in Leopold Blooms Mund gelegte Verunglimpfung des noblen Biers hat die Werbeabteilung der »most famous brewery of the world« nicht davon abgehalten, mit dem Slogan »James Choice« öffentlich Stimmung für den Guinness-Konsum zu machen.
Hier oben, in den Ausstellungsräumen von Guinness Hop Store, Crane Street, Dublin 8, wird ausführlich illustriert, wie in
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