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Mein irisches Tagebuch

Mein irisches Tagebuch

Titel: Mein irisches Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Giordano
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Heimatstadt gegeben als diese?
     
    »Aber wenn jemand riefe, und wenn es zu hören wäre zwischen den Four Courts und den Hügeln von Howth...«
    Auf der Küstenstraße der nördlichen Dublin Bay, rechts die Sandbank und Vogelinsel North Bull Island, vor mir, im Westen, eine gebirgige Halbinsel, Dublins Naherholungskleinod und elitäres Refugium zugleich - Howth.
    Von der Carrickbrack Road auf der Peninsula dann hinein in die Villenviertel. Verschwiegene Anwesen hinter hohen Hecken, die ganze Reserve teurer Zurückgezogenheit mit langen Distanzen zwischen Pforte und Wohnsitz. Exotische Vegetation, blaue Pflanzen, subtropisch, hochschießend wie Riesenrittersporn -das volle Pathos des Reichtums mit feenhafter Sicht über die Bucht. Von Dublin City, obwohl so nahe, keine Spur, sogar auf dem Ben of Howth, mit 171 Metern die höchste Erhebung, ist nicht mehr zu erblicken als die Kupferkuppel der Four Courts, des höchsten Gerichtshofs.
    Drüben, am anderen Ufer der blanken See, der Hafen Dun Laoghaire, die beiden Molen, wie zwei Zangen kurz vor dem Zuldappen. Davor der Heckstrudel eines Fährschiffs, dahinter, unter einem Wolkenwattepaket, die Ausläufer der Wicklow-Berge mit den Zuckerhutkegeln ihrer Three Rocks. Sonne hinter dünnen Himmelsschleiern, der Wind von Nordwesten in den Ginsterbüschen, felsiger Abhang steil zur See hinab und ganz unten, hingehockt auf das Kliff des äußersten Landvorsprungs -Baily Lighthouse, der Leuchtturm. In der Luft, weit weg, Möwen, kleine helle Punkte, nahe riesige Vögel mit langem Schwanz, schwarzweiß, aber keine Elstern.
    Howth Harbour auf der Nordseite der Halbinsel, der Hafen -geschützt durch eine mächtige Mole, deren schräge Abflachung zur Seeseite hin die zerstörerische Kraft der Wellen unterläuft. In seiner Mitte, doppelt geschützt, das Geviert des Yachthafens, ein Wald von Masten, aus dem es herüberklingelt, wenn der Wind die Schoten gegen Holz und Aluminium schlägt. Auch bei rauhestem Wetter können die Besitzer sicher sein, daß ihr kostbares Eigentum nicht beschädigt wird.
    Ich sehe zwei Martello Towers, einen auf dem Festland in Hafennähe, den anderen in Sichtweite auf der vorgelagerten kleinen Insel drüben, Ireland’s Eye.
    Eine schmale Treppe hoch zur Mole, an ihrem Ende ein lighthouse, ein automatisches Blinkfeuer. Es fächelt und streichelt von See her, Sommerwind, der schafft ein leichtes Gemüt und hält die Temperatur genau oberhalb der Grenze, unter der es kühl wäre. Nach vorn nichts als der Horizont - die Unendlichkeit nah, Dublin fern.
    Weiter nach Norden entlang der Küste - Malahide: freundlicher Badeort mit riesiger Kirche, Church of St. Sylvestre, und einem berühmten Castle außerhalb - dahin später. Denn zunächst hält mich hier ein alter Bahnhof mit viktorianischen Dächern und Säulen, die Gebäude in gelbem Klinker, über den Geleisen eine ehrwürdige Brücke, footbridge, auf der von Bahnsteig zu Bahnsteig geeilt werden kann. Endstation von Dublin her.
    Außer mir ist niemand zu sehen, keine Reisenden, kein Personal. Mir macht der Bahnhof den Eindruck, als würde im nächsten Augenblick zischend und fauchend ein Dampfzug einlau-fen. Das liegt immer noch in der Luft, das ist immer noch nicht weg, obwohl ich das Schlußlicht eines elektrischen Triebwagens gerade verschwinden sah, zweckmäßig und phantasielos, ohne
    Pleuel, Kolben und Schieber und jenseits all der Romantik, von der die Geleise für einen Dampfnostalgiker wie mich immer noch behaucht sind.
    Dann Malahide Castle - Ecktürme, Rundtürme, trutzige Anlage mit hohem Mittelbau, davor eine prärieweite Fläche grünen Rasens, der erfreulicherweise betreten werden kann.
    Jedenfalls entnehme ich das dem einsamen Bild, das sich mir bietet mit dem Anblick einer jungen Mutter, ganz in Weiß, ein Kind auf dem Arm, einen Säugling mehr noch, den sie leise schaukelt, auf die Nase stupst, ihm in die Wange gickst, völlig verloren an das winzige Wesen, ein Anblick, dem wohl selbst der hartgesottenste Junggeselle seine Rührung nicht versagen könnte.
    Doch da kommen sie schon aus dem Castle, vier Männer mit teurem Gerät, schweren Kameras, Lampen, Lichtdämpfern,Tonmaschinen, bauen auf, geben Anweisungen, richten Mutter und Kind -.
    TV-Werbung, advertising, für Babynahrung, wie mir auf Anfrage unwirsch zugeworfen wird, in Eile, weil der Spot noch heute abend über den Bildschirm flimmern soll.
     
    Hopfen, Hopfen, Hopfen - Wasser, Wasser, Wasser!
    Um sie dreht sich hier alles seit

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