Mein irisches Tagebuch
gegen Ende des 18. Jahrhunderts gegenüber der Bevölkerungsmehrheit war die Lockerung der strengen Strafgesetze durch den Catholic Relief Act 1778.
Dennoch legte die Empörung angloirischer Protestanten den Grundstein für die katholische Emanzipation, beginnt mit ihr die Geschichte des modernen irischen Nationalismus, übernimmt der irische Katholizismus den Kampf um Gleichberechtigung und Unabhängigkeit. Neben seine bisher einzige Institution, die katholische Kirche, stellt sich jetzt eine politische Bewegung.
Ihre Inkarnation ist Daniel O’Connell.
Es war seinen Bemühungen um parlamentarische und administrative Reformen über mehr als zwei Jahrzehnte zu verdanken, daß am 13. April 1829 die Penal Laws ganz abgeschafft und der katholischen Mehrheit jedenfalls nominell die gleichen Rechte eingeräumt wurden wie der protestantischen Minderheit. Es war sein Werk, daß im selben Jahr der Act of Union von 1801, die Auflösung des Dubliner Parlaments, wiederaufgehoben wurde.
Zwar blieb es ihm 1828 noch verwehrt, seinen Sitz im Londoner Parlament einzunehmen, aber die Zeichen der Zeit ließen keinen Zweifel daran, daß es sich nur um einen Aufschub handeln konnte. Sein ungeheurer Einfluß reicht auch aus der Feme bis an die Themse.
Daniel O’Connell ist der führende Vertreter des Act of Parliament , mit dem 1833 die Sklaverei im britischen Empire offiziell beendet wird. Und als 1840 auf dem großen Antisklavenkongreß in London die amerikanische Suffragette Lucrezia Mott daran gehindert wird, öffentlich zu sprechen, weil das als nicht schicklich gilt, schreibt Daniel O’Connell in seinem Brief zur Unterstützung der Frauenrechte den berühmten Satz: »Mind has no sex.« - »Ansichten haben kein Geschlecht.«
1843 kann Daniel O’Connell dann endlich als erster Katholik seinen Sitz im Londoner Parlament einnehmen, was am 15. August jenes Jahres auf dem geschichtsträchtigen Hügel von Tara von 100000 Iren gefeiert wird. Daraufhin der Verschwörung angeklagt und zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, wird der »Befreier« nach seiner Entlassung mit einem Spektakel sondergleichen triumphal gefeiert. Hoch oben auf einer riesigen, mit Purpurseide und blauem Wollstoff gepolsterten und von sechs grauen Pferden gezogenen Kutsche thronend, gut drei Meter über dem Grund, so zieht er unter dem frenetischen Jubel von 200000 Menschen in Dublin ein.
Daniel O’Connell ist das katholische Irland, und das katholische Irland ist Daniel O’Connell.
Der Ire ist in unserem Jahrhundert immer wieder mit Ghandi und Martin Luther King verglichen worden. Tatsächlich war Daniel O’Connell nach Erfahrungen, die er als junger Mann im Frankreich der Großen Revolution gemacht hatte, zu einem Anhänger strikter Gewaltlosigkeit geworden und ist es sein ganzes Leben geblieben.
Das dämpfte zwar manchen irischen Feuerkopf, konnte aber auf die Dauer gewaltbereite Organisationen, Geheimbünde und Bewegungen nicht aufhalten.
Als Daniel O’Connell 1847 stirbt, hat er viel erreicht. Er ist der Gründer der katholischen Massenbewegung Irlands, er hat Katholiken auf allen Ebenen des öffentlichen Dienstes den Weg freigemacht, er hat die armen Leute zum erstenmal in die Politik eingebracht und ihnen Identität und Gleichberechtigung verschafft. Die Unabhängigkeit Irlands konnte Daniel O’Connell nicht erreichen.
Sie wird das Werk künftiger Generationen.
Wer in westlicher Richtung Cahirciveen verläßt, entdeckt bald auf der rechten Seite der N 70 eine Ruine - Daniel O’Connells Geburtshaus. An dem verfallenen Gebäude rankt Efeu hoch, und Gräser und Buschwerk sprießen aus den Ritzen eines großen Felsblocks, auf dem der Knabe als Schuljunge gesessen und seine Hausaufgaben gemacht haben soll.
Weit imposanter ist das Haus, in dem Daniel O’Connell gelebt und das er nach seinen Vorstellungen eingerichtet hat - im Derrynane National Historie Park an der Südspitze Kerrys. In vielen Teilen ist es so belassen, wie er es 1825 geerbt hatte.
Im dining-room der große Lacktisch mit zehn Stühlen, die Silberhauben, um die Speisen warm zu halten, alte Sessel, der Kamin; im drawing-room ein gewaltiger Tisch, die Platte aus Walnußholz, das Bein geschnitzt aus einem Stück Eiche; wunderbare Teppiche; Gemälde von Verwandten, von Frau und Töchtern (er war Vater von elf Kindern), von Freunden.
In der Bibliothek die Taufschale, Schreibtisch und Feder, vergilbte Dokumente. Darunter ein Aufruf O’Connells vom 11. Februar 1844 mit der Anrede
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