Mein irisches Tagebuch
überragende Figur im nationalen Freiheitskampf der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und das bleibende Idol danach, der wortgewaltigste Verfechter der irischen Sache, auch »der Befreier« genannt, the liberator - Daniel O’Connell!
1775 als Sohn eines kleinen katholischen Landbesitzers in Kerry geboren, wird er die Fundamente für das nationale Selbstbewußtsein legen, die Voraussetzung für die irische Unabhängigkeit. Dabei kam ihm zweierlei zugute: daß er aus wohlhabendem Hause stammte (die O’Connells hatten ihren Landbesitz der Form halber einem protestantischen Freund überschrieben und damit dem staatlichen Zugriff entzogen) und daß die Penal Laws, die antikatholischen Strafgesetze, eine Lockerung erfahren hatten - Auswirkungen des siegreichen amerikanischen Unabhängigkeitskampfes gegen die britische Kolonialmacht und der Ideen der Französischen Revolution.
Wenn auch zögernd, öffnen sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts bisher für Katholiken verbotene Berufe, werden tradierte Fesseln gesprengt - 1798 wird Daniel O’Connell Rechtsanwalt. In dieser Eigenschaft wird er bald landesweit bekannt als der gelehrte Vorkämpfer irischer Interessen, vor allem der kleinen Leute. Er holt für sie heraus, was herauszuholen ist, und bewirkt, unglaublich, daß Katholiken nicht mehr wie bisher den Zehnten an die protestantische Staatskirche, die Church of Ireland, entrichten müssen. Er wird das Idol der katholischen Massen und 1828 im County Clare als erster katholischer Abgeordneter in das Londoner Parlament gewählt. Innerhalb weniger Jahre war Daniel O’Connell in Irland zum Haupt einer nationalen Bewegung geworden, geht der Kampf um die irische Emanzipation von den Protestanten auf die Katholiken über.
Denn so paradox es klingt, es waren zunächst wohlhabende Protestanten, die wider den königlichen Stachel lockten, nicht die ausgebeutete, entrechtete Mehrheit der verarmten Katholiken. Lange schon schwelte unter der angloirischen Führungsschicht Unzufriedenheit mit dem Mutterland, lehnte sich das rein protestantische Parlament in Dublin auf gegen staatliche Bevormundung und wirtschaftliche Behinderung durch die Regierung in London. Fern der Metropole, fühlten sich viele als Bürger zweiter Klasse, geringer geschätzt als die Landsleute auf englischem Boden und eingeschränkt in ihrem politischen und ökonomischen Spielraum. Sie wollten sich nicht trennen von England, sie waren der Krone treu, aber sie wollten Gleichstellung. Schon Jonathan Swift hatte rügend gefragt: »Bin ich in England ein freier Mann, und werde dennoch innerhalb von sechs Stunden zum Sklaven, wenn ich die Irische See überquere?«
Aber es gab auch radikalere Strömungen unter den Protestanten. Angefeuert durch die Umwälzungen in Frankreich und den jungen USA, formieren sich in den neunziger Jahren des i8.Jahr-hunderts die United Irishmen, erschallt der Ruf nach der Republik Irland, personifiziert sich die Herausforderung an die englische Vorherrschaft in der Person des Rechtsanwalts Theobald Wolfe Tone (1763 bis 1798). Das Ziel: die Auflösung der Verbindung mit Großbritannien.
Tone muß aus Irland fliehen, kehrt aber 1796 in französischer Uniform mit einer Flotte von 43 französischen Schiffen und 15000 Soldaten nach Irland zurück. Doch das abenteuerliche Unternehmen scheitert, Sturm verhindert die Landung des französischen Expeditionskorps in der Bantry Bay, und auch der zweite Versuch ein Jahr später schlägt fehl. Tone wird dabei gefangengenommen und erhängt sich vor seiner Hinrichtung im Gefängnis von Dublin.
Aber die Stellung der Krone ist schwer erschüttert, war doch das Unglaubliche geschehen, der bewaffnete Versuch, sich von Großbritannien zu lösen. Und es waren irische Protestanten, die ihn unternommen hatten.
Die Reaktion der Monarchie: Am 1.Januar 1801 wird die Nachbarinsel durch den Act of Union dem Vereinigten Königreich angeschlossen, das Parlament in Dublin aufgelöst und seine hundert Mitglieder als bedeutungslose Gruppe den 658 Abgeordneten des Londoner Unterhauses einverleibt.
Das änderte nichts daran, daß es sich bei den politischen und militärischen Kämpfen der Ära um eine rein innerprotestantische Auseinandersetzung handelte. Die oft beschworene »irische Nation« schloß in den Köpfen der Aufrührer die katholische Mehrheit ganz selbstverständlich aus, darin unterschieden sie sich nicht von ihren konfessionell gleichen Gegnern. Die einzige Konzession der protestantischen Herrschaft
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