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Mein irisches Tagebuch

Mein irisches Tagebuch

Titel: Mein irisches Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Giordano
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Schule, wurde Farmer, hütete das Vieh, pflanzte und erntete Weizen, Kartoffeln, Rüben und hat sein Lebtag nie etwas anderes getan.
    1947, mit 33, hat er geheiratet, mit 65, 1979, wurde er Rentner. Erst ein Jahr später bekam diese Gegend elektrisches Licht, vorher gab es nur Paraffin und Kerzen. Seither hat sich vieles geändert, und etliches zum Guten. »Zum Beispiel der nationale Gesundheitsdienst - eine Errungenschaft, auf die selbst der größte Optimist nicht hoffen konnte. Das fing 1988 an, vor sieben Jahren.«
    Damals vermachte James Skelly seinen Besitz, 150 acres Land, dem ältesten Sohn, der gerade geheiratet hatte. »Das ist da drüben.« James Skelly dreht sich um und zeigt auf ein Gehöft, das etwas verdeckt hinter Bäumen liegt.
    Während seines Reports prüft er, ob ich auch alles verstehe, kontrolliert es durch dazwischengestreute Fragen, macht mir die Beantwortung aber leicht, weil sein Englisch sehr verständlich klingt.
    Als hätte ich ihn auf eine gewisse Diskrepanz zwischen seiner kurzen Schulzeit und seiner Bildung angesprochen, sagt er, einen pfiffigen Ausdruck im Gesicht: Eine seiner Schwestern — »Gott hab sie selig!« - und er, sie wären die Familienmitglieder gewesen, die ein »überdurchschnittliches Gehirn« gehabt, sich weiter gebildet und für das Leben gut gerüstet hätten. Dazu gehörte, daß er sich immer für Geschichte interessierte. Ob ich die Burgruine da vorn gesehen hätte? Und als ich nicke: »Die hat einem katholischen Earl gehört, bevor die Engländer kamen und es ihm weggenommen haben - wie sie uns immer alles stahlen, die Räuber.« Dabei grollt James Skellys Stimme, als dauerte die britische Fremdherrschaft bis in die Gegenwart an.
    Gleich darauf erfahre ich von ihm, wie die großen Bäume heißen, die mich so beeindruckten, deren Namen ich aber nicht kenne - und was ihre Hauptaufgabe gewesen sein soll.
    »Sykomoren! Ihre Lordschaft, die Whites, haben den Besitz des Earls dann übernommen und auf dem estate irische Sklaven schuften lassen. Die großen Bäume, die Sie ringsum sehen« -
    James Skelly läßt seine Rechte über dem Kopfkreisen -, »haben die englischen Siedler gepflanzt, wie überall in Irland, und das mit Bedacht. Sykomoren haben besonders starke Äste. Das mußte auch sein, denn daran pflegten die Briten mit Vorliebe mehrere Iren nebeneinander aufzuknüpfen.«
    Das klingt, als habe er gestern zuletzt solch schauerlicher Hinrichtung beigewohnt.
    »Ich war sieben, als die Briten 1921 verjagt wurden, und habe von ihrer Herrschaft noch was mitgekriegt. Jeder von uns hatte damals ein Gewehr, auch mein Vater. Ich muß so um die fünf gewesen sein, als er einmal von Polizisten verhört wurde und ich Angst hatte, daß sie ihn mitnehmen würden. Ich glaube, ich hätte die beiden erschossen, wenn sie das getan hätten.«
    Ich nehme die günstige Gelegenheit wahr und frage: »Was wird morgen sein? Glauben Sie an eine Vereinigung der Republik mit Nordirland?«
    Überrascht blickt er auf: »Was für eine Frage - klar! Wir werden alle Briten von unserem Boden vertreiben, ohne Ausnahme. Das ist so sicher, wie morgen die Sonne aufgeht.«
    Da brütet etwas ganz tief drin in dem Alten neben mir, etwas, das nie herausgekommen ist. Doch trotz seiner massiven Rhetorik wird James Skelly weder scharf im Ton, noch verändert das erstaunlich runzelfreie Gesicht mit den lebendigen Augen seine freundliche Mimik.
    Dann fragt er, was mich hierhergeführt habe, kriegt rote Wangen, als ich ihm von meinem Plan berichte, ein Buch über Irland zu schreiben, und besteht darauf, daß ich ihm nach Lanesborough in sein Haus folge.
    Etwas stöckerig geht er zu seinem Wagen, an dessen Hinterscheibe ein dickes L klebt, für Learner, Anfänger (obwohl James Skelly, wie seinen Worten zu entnehmen war, schon seit früher Jugend fährt), und rauscht staubwirbelnd so forsch ab, als befände er sich immer noch in jenem energiegeladenen Lebensstadium.
    Als wir am Rand von Lanesborough vor dem Haus stehen, dringt es beunruhigend gelb aus einem der beiden Schornsteine hervor. »Just the same matter!« flucht er - »Immer der gleiche Mist!« -, eilt ins Haus, wo er in der Küche über dem Herd eine Klappe zuschlägt, sich mit dramatischer Gestik am Tisch niederläßt und einen Blick auf seine Frau wirft, der strafend sein soll, aber augenscheinlich jede Wirkung verfehlt. Denn sie nimmt das Malheur und die lautlose, aber grimmige Abstrafung durch ihren Mann hin mit der Routine einer erprobten Ehefrau,

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