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Mein irisches Tagebuch

Mein irisches Tagebuch

Titel: Mein irisches Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Giordano
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Tohuwabohus, Johnnys Frau - ihre Hand nach der meinen ausgestreckt und unerschütterlich aufrecht, obschon sich ihr eine von Johnnys bratpfannengroßen Pranken mit ehelichem Stolz schwer auf die Schulter gelegt hat.
    Der ist nur zu berechtigt (wenngleich Johnny, vorsichtig ausgedrückt, den eigenen Anteil daran zu überschätzen scheint). Niemand sieht Norma B. an, daß sie an die fünfzig ist, ein Dutzend Geburten hinter sich hat (zwei Kinder starben), seit Jahrzehnten tagaus, tagein, von morgens bis abends, mit nichts anderem beschäftigt ist, als zu stillen, zu füttern, Mahlzeiten vorzubereiten und für die immer größere Familie zu putzen, zu waschen, zu nähen. Und dennoch hat sie nicht nur den Körper einer jugendlichen Lady behalten, sondern zeigt, weit eindrucksvoller noch, auch jenes Lächeln, das nur ein tief im Inneren unversehrtes Gemüt hervorzuzaubern vermag. Seltsam, wie einen solche Erfahrung beglückt, obwohl man selbst nichts dazu beigetragen hat.
    Ich glaube, ich habe das nicht verbergen können, als ich mit Johnny nach Mallard Point zurückfuhr, denn er tätschelte mir den Kopf und ließ mich dröhnend wissen, ich sei, seiner Meinung nach, »a good guy«. Er meint wohl: Einer, der begreift, was er sieht.
     
    Als Paul L. in Mallard Point eintrifft, ist der Lärm von Bulldozer und Betonmischmaschine drüben am Seeufer verstummt.
    In seinem blauverschossenen Overall macht sich der dürre Mensch aus Kilnaleck sogleich an die Arbeit, spaltet Holz zu Scheiten, jätet Unkraut, begießt die Blumenspaliere am Haus und grüßt jedesmal freundlich ins Fenster hinein, wenn er vorübergeht. Susan, seine Gefährtin, trifft etwas später ein, gewährt mir huldvoll den Anblick ihres sanften, schönen Gesichts, in dem ich heute den Ausdruck eines gewissen Wohlwollens zu entdecken glaube, offenbar, weil sie in der Küche nichts vorgefunden hat, was ich verbrochen haben könnte. Ich höre sie mit Bestecken klappern, leise vor sich hinsummen und Penny barsch, wenngleich ganz und gar nicht so gemeint, anzuweisen, gefälligst draußen zu bleiben.
    Natürlich tut die schwarzweiße Promenadenmischung nur so, als scherte sie sich darum, derweilen sie geschult den günstigsten Moment ausspäht, um dank der vorsorglich von mir geöffneten Tür so rasch wie möglich in dem dafür vorgesehenen Zimmer zu verschwinden. Dort wirft sich Penny auf den Rücken, streckt alle viere von sich und fordert, fanatisch hechelnd, gekrault zu werden. Woraufhin »sausage dog« (»Hundewurst«, wie ich sie erinnerlicherweise getauft habe) auch diesmal nicht zu warten braucht und prompt in ihrem Sinn bedient wird.
    Später sitzen wir alle vier im Kaminzimmer und starren in die züngelnden Flammen, Paul und Susan in die gewaltigen Ledergarnituren versunken, während ich auf dem Parkettboden vor dem Kamin hocke und Penny, gegen den gespielten Protest der beiden, da kraule, wo er es am liebsten hat - hinter den Ohren. Auf meine beredte Klage, daß einer meiner großen Lebenswünsche, ein Labrador, bisher und wohl auch weiterhin unerfüllbar bleiben werde, weil ich dauernd unterwegs sei, sagt Susan mit gespielter Strenge: Ein Hund sei wie ein Kind, und wer das nicht akzeptiere, der solle gefälligst die Finger von der Kreatur lassen. Ob ich mir denn nicht einen anderen Beruf zulegen könne?
    Wahrheitsgemäß muß ich ihr antworten, darüber noch nie nachgedacht zu haben.
    Penny ist, erfahre ich heute abend, ein besonders kluger Hund. Er hat, sagt Susan, zwei Näpfe, einen fürs Fressen, den anderen fürs Saufen. Wenn einmal vergessen worden ist, beide zu füllen, dann setzt Penny seine Pfote auf den leeren Napf und wirft ihn um, damit der Mißstand öffentlich wird.
    Die Hundebekanntschaft, so nun Paul, ist auf abenteuerliche Weise zustande gekommen. Penny war einen Abhang hinunter an einen unzugänglichen Flußlauf gekollert, ohne die Möglichkeit, wieder hinaufzugelangen oder sich sonst aus eigener Kraft zu befreien. Auch war die Gefangenschaft so weit von jeder menschlichen Behausung entfernt, daß niemand Pennys verzweifeltes Jaulen hören konnte. Als Paul zufällig auf ihn stieß, befand er sich bereits in einem Stadium fortgeschrittener Erschöpfung. »Er muß da bestimmt schon vierzehn Tage gelegen haben. Überlebt hat er nur, weil Wasser da war.«
    Penny, sehr wohl spürend, daß mit Anteilnahme von ihm gesprochen wird, scheint schier erdrückt zu werden von dem Gewicht der eigenen Bedeutung, denn nun droht er mir vom Schoß zu fallen,

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