Mein irisches Tagebuch
die nichts mehr erschüttern kann. Kein Wunder - die beiden müssen jetzt, wenn sie 1947 die Ringe getauscht haben, seit achtundvierzig Jahren verheiratet sein, rechne ich nach.
Kathleen Skelly, hochgewachsen, weißhaarig, selbstbewußt, füllt ihrem Mann den bereitgestellten Teller mit Kartoffeln, Gemüse und Fleisch, setzt sich zurück auf ihren Platz am Fenster und beginnt dort an irgend etwas zu stricken.
»Die Straße war zu eng, um aneinander vorbeizukommen«, erklärt er ihr meine Anwesenheit, »sonst hätten wir uns nie kennengelernt.« Während er ißt, wandere ich ein bißchen im Haus herum - es ist geräumig, mit fünf Zimmern, einem lange nach dem Einzug installierten Badezimmer, einstöckig und, wie alle irischen Häuser, ohne Keller.
Die Küche geht über in eine Veranda, die als Geräteschuppen dient und durch deren Fenster man auf eine große Wiese schaut - Schafe, ein alter Brunnen, ausgeschlachtete Landmaschinen. »Noch unser Grundstück«, sagt er, »hier gehören wir hin.«
Mir wird eine Riesentasse Kaffee vorgesetzt und ein Berg Gebäck, das Ähnlichkeit mit unserem Streuselkuchen hat. Wir sind zu dritt in einer Atmosphäre, als kennten wir uns schon lange, so daß meine notorische Neugierde nicht falsch verstanden wird.
Kathleen Skelly kommt aus Roscommon, ist 72 und geht am Samstag zur Messe James Skelly dagegen besucht die Kirche am Sonntag. »Den Gottesdienst am Samstag gibt es erst seit zehn Jahren«, sagt er, »und ich will von meinen Gewohnheiten nicht abgehen.«
Er hat sein Mahl beendet, die Beine von sich gestreckt und die grüne Mütze abgenommen. So sitzt er vor mir, in Hosenträgern, auf dem Kopf ganze Büschel wirrer grauer Haare, und beginnt zu erzählen.
Viele aus der Sippe der Skellys sind alt geworden, 95 der Großvater mütterlicherseits, der bis dahin Jahr für Jahr den Lough Ree durchschwommen hat. »Hin und zurück! Aber nicht hier oben bei Lanesborough, wo er schmaler ist, sondern weiter südlich. Haben Sie mal gesehen, wie weit weg das andere Ufer entfernt ist? Doch eines Tages fiel er und starb. Dabei wollte er so gern hundert werden.«
Beide Skellys haben in der Schule Gälisch gelernt, inzwischen jedoch so gut wie alles vergessen. Er: »In Galway hatten wir uns mal verfahren, da habe ich an eine Haustür geklopft und eine Frau, die herauskam, nach dem Weg gefragt. Aber da sie nur Gälisch sprach, nicht Englisch, hat sie mich nicht verstanden.« Darauf Kathleen Skelly, seelenruhig: »Man kann auch sagen, daß du es warst, der sie nicht verstanden hat.«
Beide sitzen gewöhnlich drei Stunden am Tag vor dem Bildschirm und sehen vor allem gern Talkshows. »Aber wir hören auch Radio, Shannon Side, eine lokale Station. Sie bringt unsere wunderbaren irischen Lieder, die so schön sind wie unsere Landschaft.«
Als ich auf das Kraftwerk vor Lanesborough und sein Ungetüm von Schornstein zu sprechen komme, das weit und breit die Gegend verschandelt, stoße ich auf James Skellys lebhaften Widerspruch. »Der Anblick ist nicht schön, stimmt, aber die Emissionen sind ungiftig - da wird keine Kohle verfeuert, nur Torf, und der ist nicht umweltfeindlich. Ganz im Gegenteil, die Rauchpartikel fallen zur Erde zurück und düngen den Boden. Außerdem ist das Werk ein wichtiger Arbeitgeber in der Region.«
Ich habe da so meine Bedenken, halte sie aber zurück, zumal ohnehin alle Gegenargumente versagen, wenn es um Arbeitsplätze geht, auch in Irland.
Kathleen Skelly erinnert sich, wie sie mit Schaufel und Spaten losgezogen sind, auch Frauen, um Torf zu stechen. »Daß damit Schluß war, ist noch gar nicht so lange her. Inzwischen geht das alles maschinell vor sich, was natürlich kräftesparend und viel ergiebiger ist. Trotzdem, wir haben uns auch gefreut, bei der Arbeit zusammenzusein.«
Ich habe viele diese Felder gesehen, riesige Flächen, gleichmäßig abgestochen und von Hunderten und aber Hunderten von bunten Plastiksäcken mit Torf bestanden. Wie wird das gehandhabt, wem gehören die einzelnen Packen, und wie werden sie auseinandergehalten?
Da lachen beide. »Jeder weiß, welche davon ihm gehören, und welche nicht, jeder kennt das genau. Darüber gibt es nie Streitereien.«
Sie haben von der Republik eine ganze Menge gesehen, waren in Sligo, Galway, Kerry, Cork, auch in Dublin, aber noch nie in Nordirland. »Da fahren wir erst hin, wenn die sechs Grafschaften wieder zu uns gehören«, sagt James Skelly, seiner bereits zuvor geäußerten Zuversicht
Weitere Kostenlose Bücher