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Mein ist dein Herz

Mein ist dein Herz

Titel: Mein ist dein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Adam
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über mir sitzt. Nichts von dem, was war, kann ich nun rekonstruieren.
    Plötzlich reißt Sean den Kopf hoch. Schwaches Scheinwerferlicht erleuchtet sein Gesicht und den tränenverhangenen Blick. Ich entdecke viele feine Schnitte, die seine Wangen ›zieren‹ und strecke meine Hand ihm aus.
    »Sean ... du blutest ...«
    »Uns hat anscheinend jemand gesehen! Bleib liegen, ich rufe gleich den Krankenwagen«, befielt er, zieht seine Jacke aus und bettet, trotz Protest, meinen Kopf darauf. Dann rennt er auf das Licht zu.
    Nicht ohne Mühe gelingt es mir, mich umzudrehen und ihm hinterherzusehen. Ich erkenne die Umrisse von zwei Männern, die auf ihn zukommen, sehe, wie Sean einem von ihnen in die Hände stolpert.
    Worüber sie sprechen, kann ich nicht genau sagen, dafür rauscht es noch zu stark in meinen Ohren. Obendrein fühle ich mich desorientiert.
    Sean wird von dem einen Mann geschubst und rudert mit den Armen, fällt aber dennoch hin. Allerdings wäre er nicht er selbst, hätte er sich geschlagen gegeben. Sean rappelt sich auf und pirscht ihnen erneut entgegen. Nun bekomme sogar ich mit, dass er sie förmlich anfleht, einen Notarzt zu rufen, sie aber holen stattdessen zwei Schlagstöcke heraus und fangen an, ihn zu schlagen.
    Ich verstehe die Welt nicht mehr. Glaube zunächst, dass meine Augen mir einen Streich spielen, und zwicke mich, um sicherzugehen, dass ich nicht einfach nur träume. Gut, Letzteres hat mir rein gar nichts bewiesen, weil mein Adrenalinspiegel scheinbar so hoch ist, dass ich rein gar keinen Schmerz spüre. Wenngleich es mich auf eine andere Idee bringt. Nämlich die, dass selbst wenn bei mir irgendwas gebrochen ist, ich sicherlich aufstehen kann. Unter Schock geht schließlich alles!
    Gedacht, zwei Mal geflucht, mehrmals hingefallen und doch getan.
    Ich bin eben ein stures Mädchen und behalte stets mein Ziel im Auge!
    Wie auf Watte, mit nachgebenden Knien und zitternden Gliedern stolpere ich auf die Männer zu. Sie prügeln immer noch auf Sean ein, obwohl er sie gar nicht angreift und sich viel mehr vor ihren Schlägen schützt.
    Sein Versuch auf die Füße zu kommen, bleibt lediglich ein Versuch. Die zwei Polizisten, als die ich sie nun ausmache, hören ihm überhaupt nicht zu ...
    »Was sind Sie nur für Arschlöcher?«, wispere ich und ärgere mich sofort darüber, dass meine Stimme ausgerechnet jetzt den Dienst quittiert. Was mir jetzt bleibt, ist die Hoffnung, dass wenigstens meine Hände als ›Sprachwerkzeuge‹ durchgehen.
    Mit der ganzen Wucht, die ich aufbringen kann, werfe ich mich dazwischen, sehe den Schlagstock auf mich zukommen und schließe aus Angst vor dem Schmerz die Lider. Es gibt jedoch keinen! Sämtliche Hitze dieser Prellung fügt sich perfekt in die bunte Palette ein, die ich bereits empfinde, und geht in der Glut unter.
    Niemand hat mit mir gerechnet. Nicht einmal Sean selbst und da ich dort angekommen bin, wo ich mit meinen schlagfertigen ›Argumenten‹ hinwollte, nutze ich den Überraschungseffekt und setze diese auch ein.
    Leidergottes misslingt es mir, irgendetwas Essentielles zu machen, weil ich mit einem »Lasst ihn los!« auf den Lippen dem Typen in die Arme sinke, dem ich nur Sekunden zuvor mit den Fäusten auf die Brust einschlug.
    Was für eine grottenschlechte Leistung! , denke ich und versinke im Nichts.

    V on dem Zeitpunkt an sind es nur noch Filmrisse, an die ich mich erinnere. Als wäre ich die ganze Zeit über unter Wasser und würde nur ab und zu an die Oberfläche vordringen.
    Grelles Licht ...
    Stimmen ...
    Noch mehr gleißende Helligkeit ...
    Rütteln ...
    Warme Hände, die mir an die Handfesseln greifen ...
    Irgendein Piepsen ...
    Es ist so verwirrend, dass mir schlecht wird. Mein Magen rumort und um dieses unangenehme Gefühl in den Griff zu bekommen, versuche ich es mit dem Summen eines Liedes.
    Plötzlich spüre ich eine Nadel in meine Haut eindringen. Ein Gefühl, das mich sicherlich in egal welchem Zustand zur Besinnung rufen könnte.
    Die Erinnerung an die Chemo fegt alles andere aus meinen Gedanken und von diesem Moment an, sehe ich alles klar und deutlich: Eine weiße Decke mit runden Leuchten rauscht an mir vorbei, einen Infusionsbeutel, in dem sich das Licht verfängt und im Takt eines Quietschens, das vermutlich von den Rollen der Krankenliege ausgeht, an die Infusionsstange knallt.
    Ich fokussiere meinen Blick auf einem Mann, der mit einer Akte in der Hand neben mir herläuft und dann auf den zwei Frauen, die sich zu ihm gesellen.

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