Mein ist dein Herz
›Wie-soll-ich-Ihnen-das-nur-mitteilen-Blick‹.
Er fasst sich an die Nasenwurzel und schließt für einen Moment die Augen. »Nun, Frau ...«
»Bears.«
»Der Mann, den man zusammen mit ihnen angetroffen hat, wurde zwar ebenfalls von der Polizei hierher gebracht, aber auch gleichzeitig unter Arrest gestellt ...«
»Warum?«, unterbreche ich ihn.
»Nun ... weil sie davon ausgegangen sind, dass er sie angefallen und vergewaltigt hat.«
Was?
Spinnen die?
»Wieso ...?«
»Aufgrund dessen, dass ihre Hose zerrissen und voller Blut ist ...«
Blut?
Nein!
Nein, nein, nein, nein!
Bitte nicht!
Das wilde Pochen in meiner Brust wird gleichlaufend von einem schrillen Piepsen betont. Der Arzt ordert irgendwas bei der Schwester, bekommt von ihr dann eine Spritze in die Hand gedrückt, die er kurzerhand in den Infusionsschlauch rammt, der in meinem Arm mündet.
Ein Beruhigungsmittel, wie ich voller Bestürzung feststellen muss, sobald die Schläfrigkeit einsetzt und die Zunge träge wird.
»Er ist der Vater ... mein Verlobter!«
»Ich werde das sofort weiterreichen!«, verspricht der Arzt und drückt mich wieder zurück auf die Liege.
A uch wenn sie mich mit Nadeln spicken, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen, so halten sich DIESE Ärzte wenigstens daran, was sie mir versichert haben. Es vergehen lediglich Minuten, bis die Tür aufgeht und Sean in den Raum stürzt.
Seine Müdigkeit, sein Entsetzen und Reuegefühl ist offensichtlich. Es nagt an ihm.
Ich für meinen Teil bin nur froh, ihn wiederzusehen, strecke ihm meine Arme entgegen und hoffe darauf, endlich seine Wärme, Nähe und Vertrautheit zu spüren. Vergeblich! Die Krankenschwester verbietet ihm kurzerhand, mir zu nahe zu kommen.
»Wir wissen noch nicht, ob etwas gebrochen ist, oder nicht«, erklärt sie.
Sean will sich zunächst aufmucken, wird jedoch von meinem »Nicht, Schatz!« aufgehalten. Gerade in dem Moment betritt ein weiterer Arzt das Zimmer. Der Gynäkologe, wie ich vermute.
Er bittet die anderen hinaus, stellt sich bei uns als Doktor Wagner vor und beginnt sogleich mit dem Standardprogramm. Händewaschen, Ultraschallgerät heranschieben, nach Schwangerschaftswoche und bekannten Risikofaktoren fragen, vor der Kälte des Glibbergels warnen ...
Sobald er allerdings mit dem deoförmigen Apparat meinen Unterbauch entlang fährt verliert die Situation ihre Alltäglichkeit. Viel zu oft war ich schon beim Frauenarzt, habe etliche Einblutungen in der Zeit vor der Schwangerschaft gesehen und weiß auch ohne seine erklärenden Worte, was Sache ist.
Wortlos führt er die Untersuchung aus, der ich einfach nicht folgen kann. Anstelle den Monitor anzuschauen, habe ich meine Stirn an Seans Arm gelehnt und weine leise vor mich hin.
»Nun, Frau Bears. Ich wünschte, ich könnte ihnen etwas Positives sagen. Nur schaut es gar nicht gut aus. Ich sehe Blut im Bauchraum und denke, dass es noch diese Nacht zu einer Fehlgeburt kommt ...«
Bis dahin höre ich ihm zu und nicht weiter. Es erinnert mich an den Krankenhausaufenthalt in Kaufbeuren, als der Arzt mit seiner Hiobsbotschaft ankam und mich scheinbar aus dem Leben gerissen hat. Nur dass es damals, im Vergleich zu heute, nicht so weit kam.
Kapitel 39
O bwohl ich schon vieles gesehen, erlebt und erlitten habe und bereits abgehärtet sein müsste, gab es nichts, was mich auf den Tag nach dem Unfall hätte vorbereiten können. Mir fällt es schwer, auch nur daran zu denken, geschweige denn zu erzählen, wie ich die größte Last auf mein Gewissen auflud, dennoch muss ich es. Weil dieser Schmerz von da an dazugehört. Zu uns ... Sean und Janessa.
Nachdem der Arzt sein Urteil verkündet hat, drehte Janessa buchstäblich durch. Sie schlang die Arme um ihre Mitte und verweigerte jedwede Kooperation. Daraufhin sah sich der Arzt gezwungen, ihr ein Beruhigungsmittel zu verabreichen, wodurch sie zwar zur Ruhe kam, aber gleichzeitig zu einer nicht ansprechbaren, ergo nicht haftungsfähigen Patientin wurde.
»Herr Wildmann, leider haben wir keinen Hinweis zu Angehörigen gefunden, die wir im Falle eines Unfalls verständigen könnten. Wissen sie ...«
Mit einem Kopfschütteln unterbrach ich den Arzt. »Nein! Das weiß ich nicht. Beziehungsweise denke ich nicht, dass sie überhaupt jemanden verständigt hätte.«
»Das ist schlecht, weil Frau Bears höchstwahrscheinlich in Lebensgefahr schwebt und wir deswegen schnell handeln müssen, dazu aber eine Einverständniserklärung brauchen.«
»Einverständnis
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