Mein ist dein Herz
Zaunpfahl!
»Warum hast du gerade jetzt das Bedürfnis bekommen, sich hinter einer Tür und einer Zigarette zu verstecken, Jane?«
»Ich habe es nicht so mit dem Vertrauen ...«
»Darf ich erfahren, weshalb es so ist?«
»Ein andermal?«, frage ich und versuche zu lächeln.
Ein Seufzen, Kopfschütteln und müdes Lächeln später, reicht er mir tatsächlich seine Hand, zieht mich auf die Beine und sich hinterher. So unerwartet unkompliziert, dass ich aus dem Staunen gar nicht mehr rauskomme. Sogar sein Verständnis schenkt er mir, als wäre es das selbstverständlichste auf der Welt.
Das ist der ideale Mann für dich Jane! Ein Mann, mit dem du bis an dein Lebensende glücklich sein kannst, wenn du die eigens aufgestellten Hürden nimmst und deine Ängste überwindest! , ruft meine innere Stimme begeistert.
Tja, liebste zweite Jane ... WENN ist ein zum Nachdenken Anlass gebendes Wort, wie wir beide bereits mehrmals feststellen mussten. Nicht wahr?
S ieh mal einer an! Ich habe an einem einzigen Tag so viel über Männer gelernt, dass es unter anderen Umständen die Erfahrung eines gesamten Lebens ausmachen könnte.
Na gut, ein Mensch mit diesem Erfahrungswert hätte demnach nur einen einzigen Partner und selbst der dürfte keineswegs von komplizierter Natur sein, aber immerhin fühle ich mich nun um einiges schlauer.
Die von uns besuchte Kinovorstellung genoss ich nicht so sehr, wie die Nacht danach. Dennoch war es schön, neben Sean zu sitzen, Popkorn zu essen und sich immer wieder von den Lachern der anderen Kinobesucher anstecken zu lassen.
Ebenso, wie es verdammt angenehm war, in seiner Leidenschaft und der Hitze unserer Lust geradezu unterzugehen.
Den kleinen Tauchgang in meine Kindheit, als Sean am nächsten Morgen mein Sideboard in Augenschein nahm und dabei ein Fotoalbum entdeckte, konnte ich auch noch genießen. Alles, was danach kam, eher weniger ...
Da er bereits vor meinem halben Leben saß - schon erstaunlich, wie viel in so ein schmales Schränkchen passt - fiel ihm auch mein Zeichenblock und das Notenheft in die Arme. Diese hat er selbstredend ebenso eingehend studiert, wie meine Kinderfotos zuvor.
Ganz zum Schluss geriet sein Augenmerk auf das kleine, in rotes Samt gehüllte Buch, das in diesem Regal stets zu deplatziert wirkte. Er wollte es gerade herausziehen, als meine Hand nach vorne schellte und ihm zuvor kam.
Mit rotangelaufenem Gesicht versteckte ich das Notizbuch hinter meinem Rücken und schüttelte wortlos den Kopf. Und was soll ich sagen? Das allein hat natürlich vollkommen ausgereicht, um sein Interesse noch mehr zu wecken. Dementsprechend schnell hat er sich das Buch zurückerobert.
Ehrlich, ich hatte keinerlei Chance gegen ihn! Der Mann ist einfach zu flink, zu ehrgeizig und auch zu erfinderisch, wenn es darum geht, etwas zu bekommen, was er unbedingt haben will.
Warum ich es ihm am liebsten entrissen hätte, verstand er so lange nicht, bis sein Blick über ein paar Zeilen in dem Buch hinweggeglitten ist. Man kann auch sagen, dass ich dabei zusehen konnte, wie ihm das Lächeln auf den Lippen gefror und schließlich ganz verging.
Reglos und mit im Schoß verschränkten Händen saß ich da, schmollte vor mich hin und wartete den Augenblick ab, wann er mir das Buch mit demselben resignierten Blick zurückgeben würde, wie ich es bereits zwei- oder dreimal erlebt hatte, sobald es denn jemand zu Gesicht bekam.
An Nancys Reaktion erinnerte ich mich am besten, was mit Sicherheit nicht daran liegt, dass ihr Kennenlernen mit dem ›Red Book‹ gar nicht so weit in der Vergangenheit zurückliegt. Es war eher die Heftigkeit ihrer Rückmeldung zum Inhalt. Seit diesem Vorfall bedenkt mich Cicy immer wieder mit einem ganz bestimmten Gesichtsausdruck. Ebenso einem, im Übrigen, wie auch Sean, nachdem er ein paar Seiten später zu mir aufgesehen hat.
Spätestens da erwartete ich seine Kapitulation.
Vergebens.
Er bat mich sogar darum, dass ich einen Tee aufsetze und ihm die Zeit gebe, diese ungewöhnliche Lektüre eingehender zu studieren.
Sie fragen sich jetzt bestimmt, was das für ein Buch war? Ich will Sie auch gar nicht länger auf die Folter spannen. Es ist eigentlich nichts Bemerkenswertes, nur eine Gedichtsammlung.
Die Besonderheit an der ist aber genau das, was mich davon abhält, diese Gedichte selbst zu lesen. Sie tragen meinen gesamten Schmerz, alle Ängste und ein großes Stück meiner Seele in sich. Man kann durchaus behaupten, dass dies meine Art der
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