Mein ist dein Herz
›Verarbeitung‹ dessen ist, was mich ansonsten entzweigebrochen hätte.
Und eben diese ganzen Themen sorgten dafür, dass Sean so gut wie den ganzen Tag damit zubrachte, das Buch von vorne nach hinten und wieder zurück zu lesen. Ich saß dabei still neben ihm und belächelte innerlich die Aussage, dass Machos so einem Kitsch wie Poesie nichts abgewinnen können. Dieser hier, scheint regelrecht fasziniert zu sein ...
Notiz für die Zukunft:
Erstens: Man sollte den vom Interesse angeregten Intellekt eines Mannes niemals unterschätzen.
Zweitens: Männer sind keineswegs so unaufmerksam, wie sie meistens der Gemütlichkeit wegen vorgeben zu sein.
Drittens: Hat ein Mann einen wichtigen Grund gefunden, um den Ritter zu spielen, stellt er das Spiel gänzlich ein, legt die Scheinrüstung ab und macht auf ernst.
Zuletzt noch ein Fazit: Solidarität unter Männern hört genau dann auf, wenn einer von ihnen ausgerechnet das Opfer typisch männlichen Fehlverhaltens ins Herz schließt.
Kapitel 20
H abe ich tatsächlich gesagt, dass Jane ein Geheimnis hat? Verzeihen Sie mir bitte, dass ich durch meine falsche Auffassungsgabe auch Sie in die Irre geleitet habe. Wenn man es aber ganz genau nimmt, betrog ich in erster Linie mich selbst damit und niemand anderen. Jedenfalls steht nun fest, dass diese Frau nicht nur ein Geheimnis hat. Sie ist eher eine wandelnde Ansammlung von Mysterien ...
Ohne mein schier unmögliches Benehmen auch nur mit einem Wort zu kritisieren, hat Jane ein tolles Abendessen gekocht und sich anschließend für die Diskothek zurechtgemacht, während ich noch langsam kauend über ihren Gedichten saß.
Sie wartete wohl geduldig auf meine Meinung, ich konnte aber selbst dann nicht aufhören, an dem Geschriebenen zu nagen, nachdem ich das Buch weggelegt habe.
Dementsprechend schweigsam verlief auch unsere Fahrt nach Kempten, wo Dean und Nancy zu uns stießen, und auch die Weiterfahrt bis in die Disko.
Erst, als mir aufgefallen ist, dass Jane kurz davor ist, das Eintrittsgeld zu bezahlen, erkannte ich, dass mein Verhalten unter aller Sau ist, rückte näher an sie heran und nahm ihr den Geldbeutel aus der Hand. Diesen verstaute ich in ihrer Tasche und zückte sogleich meinen.
»Lass mich das machen, Süße.«
»Ist doch nicht nötig«, wand sie hastig ein.
»Ganz meine Meinung! Ist doch nicht der Rede wert.«
Mit einem Lächeln, das weder mich täuschen noch ihre Augen erreichen konnte, bedankte sie sich und verschwand kurz darauf mit Nancy auf der Mädchentoilette.
Toll gemacht, Sean! Bravo! , giftet mich mein Verstand nun unentwegt an. Das kommt dir noch teuer zu stehen!
Wir betreten die Disko und ich erinnere mich unweigerlich an den Grund für die übliche Aufbruchszeit. Vor zwölf Uhr nachts ist hier tote Hose. Das hätte mich auch normalerweise ärgern sollen, heute bleibt der Verdruss allerdings kurioserweise aus.
Na schön, das liegt wohl daran, dass wir dadurch einen von den exklusiven Tischen besetzen können, und die Möglichkeit haben, uns zu unterhalten. Zumindest solange der DJ den Lautstärkeregler auf ›laut‹ lässt und auf das ›dröhnend‹ verzichtet.
Die Mädels gesellen sich wenige Minuten später zu uns, und als Nancy auf dem Schoß meines Bruders zu sitzen kommt, fällt mir auf, dass er viel bewegungsfähiger ist, als vor einer Woche.
»Wie geht es euch? Haben die Ärzte schon gesagt, wann dein Gips gegen eine Schiene eingetauscht wird?«, frage ich.
»Na so was. Hast du dein Sprachvermögen wiedergefunden?«, feixt er anstelle einer Antwort. Hätte ich es mir auch denken können, dass heute noch unbedingt darauf herumgeritten wird. Der flache Witz, im Sinne von ›Jane, spuck sofort die Zunge meines Bruders aus ...‹, stammt letztendlich ebenfalls aus seiner Sarkasmusschmiede.
»Hab es zu keiner Zeit verloren gehabt, nur warst du quasselstrippenmäßig genug ... Irgendjemand muss doch die Männerwürde der Wildmanns bewahren«, kontere ich.
»Seid lieb zueinander!«, ermahnt uns Nancy. »Und wenn ihr schon ›labern‹ wollt, dann lasst uns lieber Wahrheit oder Pflicht spielen.«
»Ohne mich!«, bemerkt Jane trocken.
»Bin dabei!«, sage ich nahezu zeitgleich und sehe auch, dass mein Bruder bereits vergnügt die Handflächen aneinanderreibt.
»Dann brauchen wir nur ein Feuerzeug ...«, sagt Nancy, die Worte ihrer Freundin ignorierend und streckt ihr ihre Hand entgegen. »Komm schon, Bears. Rück es raus.«
»Fangt schon Mal ohne mich an ...«, schlägt
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