Mein ist dein Herz
Aufmerksam, still und unbewegt. Für einen Augenblick meine ich, dass die Gefahr eines erneuten Ausrasters gebannt ist, da kommt aber eine Gruppe von Männern auf uns zu. Noch ehe ich sie als die Schläger von damals identifizieren kann, verwickeln sie Sean in einen kleinen Schlagabtausch, der sich viel zu schnell in eine Rauferei verwandelt.
Kann dieser Tag denn noch beschissener werden? , frage ich mich, um die Unschlüssigkeit gegenüber meiner nächsten Handlung zu überspielen.
Wieso ist das Leben immer so fies, dass es Miseren nur so hageln lässt, sobald das Visier auf einen gerichtet wurde? Ich bin es leid und habe es satt, bin es satt und habe es leid. Und genau deswegen, warte ich nicht darauf, dass Sean von den fünf feigen Arschlöchern verkloppt wird. Meine Entscheidungslast, ob ich mich einmischen soll, sehe ich als abgenommen an, weil uns keiner zur Hilfe kommt, und funktioniere von da an, wie ferngesteuert.
Noch während ich auf sie zugehe, drehe ich die Zargen meiner Ringe nach innen, suche mir den größten Kerl heraus - man weiß schließlich nie, wie weit man kommt - und versuche ihn mittels einer ›Schienbein, Brust, Sidekick in die Rippen‹ Kombi auszuschalten.
Das funktioniert auf Anhieb.
Jedoch erkenne ich bereits einen Sekundenbruchteil später, dass die anderen Männer auf der Moralvorstellungsskala bei null angekommen sind und Sean für mein Eingreifen regelrecht bestrafen. Blanke Wut kocht ihn ihm hoch und die ist bekanntlich die schlechteste Verbündete im Zweikampf, von daher wundert es mich nicht, dass er sich bald auf dem Boden wiederfindet. Wohingegen sein Aufrappeln wirklich umgehend erfolgt.
Dafür, dass ich nicht aufgepasst habe, bekomme ich ebenfalls die ›Rechnung‹ in Form einer Faust in die Magengegend ausgestellt. Dumpf, eklig und tief versinkt diese in meinen Eingeweiden und bringt meine Magenflüssigkeit dazu, nach oben zu schwappen und der direkt danach folgende Ellbogen, der mein Unterkiefer trifft, sorgt dafür, dass diese sich mit dem rostigen Geschmack meines Blutes vermischt.
Pfui!
Widerlich!
Ich spucke es aus und unterdrücke meine aufsteigende Wut, um dieses Arschloch gebührend zu entlohnen. Selbst die Weichteile bleiben diesmal nicht aus, obwohl ich für gewöhnlich die Finger, beziehungsweise, Beine davon lasse.
Stellt sich die Frage: Wo zum Kuckuck die scheiß Security steckt? Braucht man sie nicht, stehen diese Schränke blöd da, gucken dich von oben herab an und schwafeln dich voll. Braucht man sie, steppen sie wie die Bären, nur eben an der falschen Adresse.
Sean schirmt mich gerade vor einem Angriff ab, der von hinten kommt, und ringt den Typen zu Boden, als einer der unterbelichteten Gorillas so laut aufschreit, dass ein paar andere Jungs auf uns aufmerksam werden. Ich kriege es nun erst recht mit der Angst zu tun, weil die zahlenmäßige Überlegenheit dadurch übermächtig wird, erkenne aber sogleich, dass es Seans und Deans Bekannte sind.
Einer von ihnen ist mit so einem Übermut beschenkt, dass er den Kerl, welcher mich frontal angreift, regelrecht wegschleudert.
Wuha ... Wrestling! Nur leider spiele ich hierbei die Verlierer-Rolle und werde unter ihm begraben.
Der Aufprall mit dem Boden lässt für einen Augenblick Sterne vor meinem inneren Auge tanzen. Die Übelkeit wird noch einen Tick dominanter in meinem Bewusstsein, und so richtig zum Kotzen, als die Jungs dieses Schwergewicht von mir wegzerren wollen, dieser aber ihre Hände wegstrampelt.
Im Endeffekt bleibt mir nur eine Wahl: Kotzen oder ihm eigenhändig in die Niere zu boxen. Wie ich mich entschieden habe, können Sie sich bestimmt denken! Meine Faust landete schonungslos in seiner Seite.
Sean entsetztes Gesicht ist das Erste, was ich sehe, sobald die Last von mir genommen wird und es sind auch seine Hände, die mir aufhelfen und sich in einer schützenden Geste um meinen Körper legen. So steht er da. Atemlos, mit einem leicht zerrissenen Hemd, brennend heißen Wangen und drückt mich an seine Brust, wo sein Herz an die Rippen klopft.
»Scheiße ... hatte ich jetzt Angst um dich ...«, haucht er in mein Ohr. »... geht es dir gut? Keine Brüche?«
»Nur ein paar Schürfwunden und Prellungen«, erkläre ich nach einer kurzen Selbstanalyse.
»Alles klar bei euch?«, fragt uns einer seiner Freunde - Brian, heißt er, soweit ich mich entsinnen kann. »Wir haben zunächst gar nicht mitbekommen, dass sie weg sind. Es ging so schnell, als ob sie ganz genau wüssten, dass du
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