Mein ist dein Herz
habe, sie auch nur schief anzuschauen. Derzeit hat man unweigerlich das Gefühl, als könnte selbst ein leichter Nieser dafür sorgen, dass sie aus der Bahn fliegt.
»Zieh mit mir zusammen ...«, platzt es plötzlich aus mir heraus. Ich weiß selbst nicht, woher dieser Satz stammte.
»W ... was?«
Tief durchatmend wiederhole ich meinen Vorschlag und verinnerliche Janes skeptischen ›du-hast-sie-doch-nicht-mehr-alle‹-Blick, dem dennoch ein gewisser Glanz anhaftet.
»Das ist jetzt nicht dein Ernst!«, winkt sie schließlich ab.
»Ist es eben doch. Wieso auch nicht? Irgendwann läuft es doch so oder so darauf hinaus, warum also nicht jetzt?«
»Warum, warum ...«, schimpft sie. »Weil wir derzeit weder das nötige Geld noch die Möglichkeit haben. Und außerdem kommt noch hinzu, dass wir zwei uns so gut wie gar nicht kennen.«
Was für ein Argument! Und das darf ich mir von einer Frau anhören ...
»Dann lernen wir uns bei der Gelegenheit auch gleich kennen!«, schlage ich ihr einen eventuellen Pluspunkt vor.
»Das halte ich für keine so gute Idee!«
Warum zum Teufel noch mal, will ich es nun umso mehr? Ach ja ... ich liebe ihre trotzige Art. Allem voran in dem Fall, dass es mir gelingt, sie vom Gegenteil zu überzeugen.
»Komm schon, Kleines! Wohnung, Heirat, Kind ... ist es nicht das, wonach dein Herz in Wirklichkeit verlangt? Das kannst du doch alles von mir haben. Jederzeit.«
»Kann ich eben NICHT!«, erwidert sie, richtet sich abrupt auf und schickt ihre Hand auf die Suche nach ihren Zigaretten - wie ich vermute, wenn ich mir die Hektik ansehe, mit der sie ihre Handtasche durchwühlt.
Unter Einsatz meines gesamten Körpergewichtes - sie macht es mir diesmal überhaupt nicht leicht - drücke ich sie zurück in die Horizontale und fange ihre Hände ein.
»Was machst du?«, will meine aufgebrachte Freundin sofort wissen, und stemmt sich mit ihrer ganzen Kraft dagegen. »Lass mich los, Sean!«
»Erinnerst du dich noch? Ich lass dich nicht los ... niemals ...«
»Ich glaube, du solltest dich an den genauen Wortlaut erinnern. Du hast gesagt, dass du mich so lange festhältst, bis ich dich darum bitte, mich loszulassen.«
Nun muss ich doch schlucken. Dies habe ich tatsächlich gesagt, jedoch nicht gedacht, dass sie diese Karte jemals ausspielt. Ich bin nun in der Tat versucht, ihrer Bitte nachzukommen. Aber eben nur beinahe.
»Willst du das wirklich, oder meinst du nur, danach verlangen zu müssen?«, frage ich leise und schaue ihr dabei so eindringlich ins Gesicht, dass sie meinen Blick einfach nicht meiden kann.
»Versteh doch Sean, ich denke dabei in erster Linie an dich und deine Familie ...«
»Inwiefern bringst du meine Familie mit deinem Hang, sämtlichen Gefühlen aus dem Weg zu gehen, in Verbindung?«
»Nicht das ... Die Sache mit der gemeinsamen Wohnung ist dabei gemeint ...«
»Oh!« Oh? »Ich verstehe nicht ganz«, gestehe ich und gebe ihre Arme endlich frei. Obwohl ihr mein missbilligender Blick nicht entgeht, zieht sie eine Zigarettenpackung aus der Tasche, daraus ein Feuerzeug und zündet sich keine Minute später den stinkenden, weißen Übeltäter an.
Das leichte Zittern, welches ihre Stimme und Hände befallen hatte, lässt augenblicklich nach. »Denkst du wirklich, ich wüsste nicht, dass deine Eltern auf jeden Cent angewiesen sind, den du nach Hause bringst? Dass es mir egal wäre, wie es um sie steht, solltest du jetzt schlichtweg auf sie pfeifen und ausziehen? Ich sehe mehr, als manch einer glaubt und verstehe durchaus ...« Das Ende dieses Satzes überlässt sie meiner Fantasie. Stattdessen sehe ich ein mir nur zu gut bekanntes Kopfschütteln. Als wollte sie ausdrücken, wie gern sie die Blinde gemimt hätte. »Dean und Nancy haben schon ein riesengroßes Loch in die Tasche deiner Eltern gerissen ... die bevorstehende Hochzeit, die neue Wohnungseinrichtung ... Ich will mir gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn auch wir gleich mit dieser Idee antanzen.«
Das ist dermaßen unfair, das ich mir die Haare raufen will. Um es ganz genau zu nehmen, bin ich gerade dabei, meine ›Haarpracht‹ um ein paar kleine Büschel dünner zu machen.
Mir war natürlich bewusst, dass Jane unsere Situation nicht entgangen ist, nur ging ich davon aus, dass sie viel egoistischer veranlagt ist und darüber hinwegsieht. Soviel zu meiner Deutung ihres Kopfschüttelns eben. Ich lag sowas von daneben!
Dumme Annahme!
Dummer Sean!
Obgleich der Zorn, der mich nun befällt, überhaupt nicht
Weitere Kostenlose Bücher