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Mein ist dein Tod

Mein ist dein Tod

Titel: Mein ist dein Tod
Autoren: Volker Ferkau
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er auf der Couch, inmitten von Bierdosen und Dreck. An seinen Spiegel hatte er geschrieben: Mein ist dein Tod! Stellen Sie sich den Schock vor, als ich das sah. Mein ist dein Tod! Wen meinte er damit? Mich? Hatte ich von ihm etwas zu befürchten? Ich bat ihn, das wieder abzuwaschen, doch noch Jahre später stand es auf Sichthöhe. Bis heute weiß ich nicht, was es bedeutet. Manchmal ertrug ich den Anblick seiner heruntergekommenen Gestalt nicht und ging unverrichteter Dinge.«
    Lena lehnte sich zurück. Sie legte ihr Gesicht in die flachen Hände, rieb ihre Augen und starrte George an. »Das ist nicht wahr, oder?«
    George sagte: »Eines Tages kam er zu mir. Er meinte, er habe durch sein Studium erfahren, dass ich die Schuld an seinem Trauma trage. Ohne mich wäre alles anders gekommen. Er wolle mich nie wieder sehen. Er hasse mich. Ich hätte ihm alles genommen. Ich sei der Mörder seiner Seele. Nie und mit keinem Wort sprach er über die Punks. Es war, als hätte er das vergessen. Eine Therapie lehnte er rigoros ab. Das brauche er nicht. Er könne sich selbst heilen. Ich versuchte alles, um den Kontakt zu halten, doch er blieb konsequent. Er eröffnete eine Praxis, ohne jemals einen Doktortitel erworben zu haben. Seine gesamten Fähigkeiten basierten auf der Grundlage von zwei Semestern. Er rechnete weder mit der Kasse ab – wie auch? – noch kassierte er Honorare und wenn doch, kassierte er in bar. Ihn interessierten ausschließlich seine Patienten. Über sie wollte er begreifen, wie er seines Hasses Herr werden konnte. Er praktizierte als Hochstapler. Und dann begegnete er Ihnen.«
    » Und wir waren wie füreinander geschaffen«, hauchte Lena.
    » Ich weiß nicht, wie man die Krankheit nennt, unter der Max leidet. Ich habe nicht viel Ahnung von Psychologie. Und ich weiß auch nicht, wie es in Ihrem Kopf tickt. Aber sicher ist, dass er in Ihnen eine Projektionsfläche gefunden hat, auf die er seine grausamen Bilder malen konnte.«
    Lena war versucht, zu lachen, dem Alten etwas Böses zu sagen, ihm Verwünschungen ins Gesicht zu schleudern. Vielleicht, dass er sich seine Lügen sparen konnte, aber sie wusste, dass Fielding nicht log. Der Mann strahlte eine Verzweiflung aus, die greifbar war.
    Und was, wenn sie sich täuschte? Wenn es umgekehrt war? Wenn George W. Fielding der Wahnsinnige war? Wenn Max die Wahrheit gesagt hatte und Fielding sie für irgendwelche Zwecke auszunutzen versuchte?
    (Ich werde dich töten!)
    Nie würde Lena sein Gesicht vergessen, die glühenden Augen. Das war nicht der Max gewesen, den sie liebte. Nicht der Mann, dem sie vertraute.
    » Ich wollte, ich hätte euch alle nie kennengelernt. Hätte Erika, diese blöde Kuh, mich nicht zu Max geschickt ...«
    Ja, was wäre dann?
    Sie atmete schwer und hielt nur mit Mühe ihre Tränen zurück.
    Wenn sie manches von dem, was Max ihr gesagt hatte, aus einem anderen Blickwinkel betrachtete, wenn sie das wirklich tat, dann machte vieles von dem, was George erklärt hatte, Sinn.
    Dennoch konnte es sein, dass ...
    Wem sollte sie vertrauen?
    Fielding oder Max?
    Sie fuhr hoch. »Warum trägt er nicht Ihren Nachnamen?«
    George lächelte. »Er war nie verheiratet. Er hat sich den Namen gegeben, da er einen Psychologen verehrte, der ebenso hieß. Ganz einfach. Das machte es ihm leichter, als Hochstapler zu arbeiten.«
    E s klang so simpel. So klar.
    » Bekam er tatsächlich ein Stipendium?«
    » Ich zahlte es. Ich zahlte alles.«
    Es gab noch so viele Fragen, die si e auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen wollte, doch sie war völlig erschöpft.
    Die Zeit schien keine Bedeutung mehr zu haben.
    Von draußen klangen Kinderstimmen.
    Ein kühler Wind vertrieb den Zigarettenrauch.
    Vor Lenas Augen waberte es. Sie war erschöpft, müde und aufgekratzt gleichermaßen. Sie musste eine Entscheidung treffen. Doch das konnte sie nicht.
    » Und nun?«, fragte sie.
    » Nun möchte ich noch einmal die Verantwortung übernehmen«, sagte George.
    » Wie meinen Sie das?«
    » Sie bleiben heute bei mir. Ich beziehe mein Bett frisch, damit Sie Ruhe finden.«
    » Und was ist mit Max? Er wird mich suchen. Zuerst bei Ihnen.«
    » Dieses Wagnis geht er nicht ein.«
    » Und wenn doch?«
    » Dann bin ich bei Ihnen. Ich werde über Sie wachen.«
    Lena meinte, diese Worte erst kürzlich gehört zu haben, doch sie war zu müde, um ihnen nachzulauschen. Stattdessen sank sie zur Seite und ließ ihren Tränen freien Lauf.

41
     
    Donald ließ es sich nicht nehmen, mit dem
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